Ein zentrales Motiv ist das Überleben.
Bad Berleburg. (schn) Zum zweiten Mal in zwei Jahren wurde am Mittwoch das zweitgrößte Land der Erde an der Odeborn begrüßt: Beim Bad Berleburger Literaturpflaster gab es, wie es sich für die Veranstaltungsreihe gehört, „Literatur auf Rezept“.
Die klassische Auftaktveranstaltung mit Apotheker Karsten Wolter als Gastgeber fand in einem neuen Rahmen statt. Zum ersten Mal trafen sich die Literaturbegeisterten im „Museum am Rothaarsteig“, auch das ein würdiger Rahmen für Literatur. Bekanntheit hat das Bad Berleburger Format ja gerade dadurch erlangt, dass die Macher Autoren, Künstler und Literaturbegeisterte in ungewöhnlichen Räumen zusammenbringen.
Karsten Wolter machte deutlich, dass die Kur-Apotheke über die Jahre zu eng geworden sei und nicht mehr genug Platz für eine solche Veranstaltung biete. Dennoch ließ er es sich nicht nehmen, an diesem Abend wieder den Wein zu spendieren, aus gegebenen Anlass Wein von der Ahr.
Einen Überblick über die kanadische Literatur bot Margarete von Schwarzkopf, die „gezeigt hat, wie sehr sie für Literatur brennt“, so die Einschätzung eines der rund 30 Gäste im Museum. Schwarzkopf ist keine Unbekannte in Bad Berleburg, mehrfach war sie schon an der Odeborn und hat ihre Expertise gezeigt.
Kanada ist ein vielfältiges Land, und genauso vielfältig ist auch seine Literatur. Gleichzeitig zeigt sich die viele Jahre währende Suche nach einer eigenen Identität zwischen Europa und Amerika, zwischen den USA und Großbritannien. Der Literaturbetrieb stand lange im Schatten des mächtigen Nachbarn im Süden, und gleichzeitig war Kanada immer Teil des Empire und ist heute noch Teil des Commonwealth. Und doch gibt es eine selbstbewusste französische Sprachgemeinschaft, und in den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Autoren der First Nations emanzipiert und sind heute ein wichtiger Teil der kanadischen Literatur.
"Was in der kanadischen Literatur seit jeher großgeschrieben wird, ist der Grundgedanke, dass Literatur bei allem sozialen Engagement vor allem unterhalten soll."
Margarete von Schwarzkopf
Kanada-Kennerin
Margarete von Schwarzkopf hat längere Zeit in Kanada gelebt, hat in der Botschaft in Bonn für das Land gearbeitet und berichtet wie selbstverständlich von den Brüchen, die dieses Land durchgemacht hat. Während die frankophonen Autoren lange von Frankreich beeinflusst waren und viele historische Romane herausgebracht haben, findet sich im anglophonen Teil der Literaturgemeinde eine enge Bindung an den britisch-irischen Raum.
Aber damit nicht genug, Kanada wurde zum Einwanderungsland – viele Autoren haben ihre Wurzeln nie vergessen und so die Literatur bereichert. Gleichzeitig aber ist man in dem riesigen Land immer noch auf der Suche nach sich selbst. So musste sich auch ein eigener Stil der Schriftsteller finden.
Auch wenn es thematisch viele Parallelen zu den USA gibt, machte Margarete von Schwarzkopf deutlich: „Was in der kanadischen Literatur seit jeher großgeschrieben wird, ist der Grundgedanke, dass Literatur bei allem sozialen Engagement vor allem unterhalten soll.“ Ein zentrales Motiv ist „das Überleben“ in all seinen Formen. Denkt man darüber nach, verwundert diese Aussage wenig, ist Kanada doch ein Land mit ewigem Eis und schier endloser Wildnis.
Margarete von Schwarzkopf sieht im Roman „Der Krieg und die Kröte“ von Timothy Findley ein ebenbürtiges Werk zu Remarques „Im Westen nichts Neues“. Auch in Findleys Werk steht die Hölle des Ersten Weltkriegs im Zentrum der Geschichte und was das Sterben in Verdun mit einer Menschenseele machen kann. Die kanadische Literatur ist nicht nur vielfältig, sondern auch prämiert. Alice Munro wurde 2013 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Viele andere Autoren fliegen in Deutschland noch unter dem Radar. Das Literaturpflaster wird in diesem Jahr viel Spannendes zu bieten haben.
Von Guido Schneider