Auf den Spuren einer Rangerin

Literaturpflaster: zwei Werke der kanadischen Autorin Nancy Vo vorgestellt

Jean-Claude Lin, Leiter des Verlags Freies Geistesleben sowie Übersetzer (r.), stellte am Montagabend in der Bad Berleburger Sparkasse zwei Bücher der kanadischen Autorin Nancy Vo (l.) vor. (SZ-Foto: Guido Schneider)

Beide Geschichten sind dem Western-Genre zuzuordnen.

Bad Berleburg. (schn) Geschichten werden nicht nur durch Worte, sondern eben auch durch Bilder erzählt. Bilderbücher sind allerdings ein ganz besonderes Genre. Jeder Autor hat seinen ganz eigenen Stil, wie sich Illustrationen und Text zu einem Ganzen zusammensetzen. Nancy Vo, kanadische Autorin und Illustratorin, schafft es, Geschichten teils in einem Bild und ganz ohne Worte zu erzählen. Dabei sind die Bilder selbst auf das Wesentliche reduziert.

Ein Schatten oder ein gezielt gesetzter Farbtupfer reichen ihr oft schon aus, um ihre Geschichte hintergründig zu erzählen. Seit Montag hängen die Bilder ihrer Bücher im Großformat in der Bad Berleburger Sparkasse – das Literaturpflaster ist wieder einmal um eine Attraktion reicher.

Nancy Vo hat bisher zwei Bücher in deutscher Übersetzung auf den Markt gebracht. Beide lassen sich dem Western-Genre zuordnen. Da stellt sich die Frage: Wie kommt eine Kanadierin mit chinesischen Wurzeln, verheiratet mit einem Vietnamesen, dazu, gerade dieses Thema aufzugreifen – das eigentlich mit Klischees des typisch „weißen Amerika“ verbunden ist. Die Verbindung kommt, wie so oft, über die Eltern. Diese mochten Clint Eastwood und den Film „The Good, the Bad and the Ugly“. Das hat Nancy Vo nachhaltig inspiriert und bis heute beeinflusst.

Jean-Claude Lin, Leiter des Verlags Freies Geistesleben sowie Übersetzer, stellte die beiden Bücher der Autorin – „Der Outlaw“ und „Ranger“ – am Montagabend vor. Beide Werke gehören zu einer Trilogie, ohne inhaltlich aneinander anzuknüpfen. Lin erzählte, wie er im Rahmen der Kinderbuchmesse in Bologna auf das erste Buch aufmerksam wurde. Gleich sei er vom Stil und der Kraft der Bilder fasziniert gewesen. Seite für Seite tauchte er mit den Gästen in die Geschichten ein, schlüsselte die Bilder auf.

"Was passiert, wenn sich ein Mensch entscheidet, nicht mehr böse zu sein?"
Jean-Claude Lin
Verlagsleiter

Das Buch „The Outlaw“ erzählt die Geschichte eines Mannes, eines Gesetzlosen, der sich entscheidet, nicht mehr außerhalb des Gesetzes zu stehen. „Was passiert, wenn sich ein Mensch entscheidet, nicht mehr böse zu sein?“, fragte Lin und gab Hinweise aus dem Buch. Im Kern geht es um das von einem Jungen durchbrochene Misstrauen zwischen Dorfbewohnern und einem Fremden – im Mittelpunkt steht dabei das Thema Wiedergutmachung.

Das Werk „Ranger“ handelt von Annie, einer jungen Frau, die als Rangerin arbeitet. Eines Tages hilft sie einem Fuchs, der wiederum ihr gegen einen Bären hilft. Neben der Geschichte ist noch ein weiterer Punkt interessant. Im Original heißt das Buch „The Ranger“, doch im Deutschen wollte Jean-Claude Lin weder die männliche noch die weibliche Form „die Rangerin“ benutzen. Das sei eine Wortneuschöpfung, und die habe es im Deutsch des 19. Jahrhunderts noch nicht gegeben. Also hat der Titel keinen Artikel. Auch eine Art, mit dem Problem umzugehen. Aber es zeigt auch, dass Übersetzungen nicht immer ganz einfach sind, selbst wenn das Buch keine langen Texte hat.

Nancy Vos Bücher leben von ihren Bildern, ihrer Kraft und eben auch von der Fantasie der Leserinnen und Leser. Die müssen nicht unbedingt Kinder sein. Auch Erwachsene werden sich in den Geschichten verlieren können. Die Ausstellung in der Sparkasse ist noch bis Freitag, 26. November, zu sehen.

Von Guido Schneider


Siegener Zeitung (27.10.2021)
Internet: www.siegener-zeitung.de
Bildquelle: SZ-Foto von Guido Schneider (schn)

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