Plädoyer fürs Lieferkettengesetz auf dem Literaturpflaster
Hannah Wolf vom Kölner Philippinenbüro sprach in Bad Berleburg über Klimakrise und Gerechtigkeit
Bad Berleburg. Man hatte die Hausdächer schon vorher vorsorglich am Boden festgemacht, mit einer angsteinflößenden Wucht fegte der Wind übers Land, im Augenblick größter Bedrohung hatte sie sich mit dem philippinischen Teil ihrer Familie im Wohnzimmer versammelt, das war der sicherste Raum im Haus. Mit diesen Erinnerungen startete Hannah Wolf in ihren Vortrag auf dem Berleburger Literaturpflaster. Sie war im November 2013 auf Negros, der drittgrößten Insel im Philippinischen Archipel, persönlich dabei, als der Taifun Hayan unter anderem über die Visayan-Inseln wütete. Auf den Philippinen hieß er Super-Taifun Yolanda. Man geht davon aus, dass er allein in diesem Land 6340 Tote forderte, mehrere Millionen Menschen wurden obdachlos, der materielle Schaden wird auf 2,15 Milliarden US-Dollars geschätzt. Trotz dieses eindringlichen und emotionalen Einstiegs war der anschließende Vortrag ganz nüchtern, ein bisschen wie die Überschrift zur Veranstaltung im Dritten Ort, der Berleburger Bücherei der Zukunft: „Klimakrise und Gerechtigkeit in den Philippinen“.
Unaufgeregt berichtete die Kölnerin, die seit 2018 Bildungsreferentin und stellvertretende Geschäftsführerin des Philippinenbüros ist. Beim Studium der Politik- und Verwaltungswissenschaften hatte ihr Schwerpunkt auf dem Thema „Internationale Beziehungen“ gelegen. Seit 2006 recherchiert sie für die Philippinen zu politischen und zivilen Menschenrechten, Katastrophenschutz und Wiederaufbau, Diaspora und internationaler Solidarität. Früher oft im Land selbst, in Bad Berleburg sagte sie jetzt jedoch, dass das mittlerweile für sie persönlich mit Risiken verbunden sei. Die politische Realität der Philippinen ist eben eine ganz andere als in einer wahrhaftigen Demokratie. Das hatten die Zuhörenden schon vorher auf dem Literaturpflaster gehört.
Aber Klima und Gerechtigkeit in einem Satz waren für Hannah Wolf auch aus einem anderen Grund schwierig, dafür zitierte die Referentin eine neue Studie: „Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung für zwei Drittel der seit 1990 beobachteten globalen Erwärmung und die daraus resultierenden Zunahmen von Klima-Extremen wie Hitzewellen und Dürren verantwortlich sind.“ Aber deren Hauptlast tragen gestern, heute und morgen vor allem arme Menschen. Der WeltRisikoBericht 2025 verzeichnet die Philippinen auf Platz Eins seiner Risiko-Liste.
Vieles bedroht das Inselreich, naturgegeben der steigende Meeresspiegel. Weitere Entwicklungen gefährden aus unerwarteter Richtung das Miteinander und tradierte Lebensräume der Menschen: große Projekte wie der Jalaur-Staudamm, frische Flüssiggas-Kraftwerke sowie der neue weltweite Hunger nach strategischen Mineralien für erneuerbare Energien. Ian Fry sagte als Berichterstatter der Vereinten Nationen: „Es scheint einen Bergbau-Boom in dem Land zu geben, wobei offenbar nur minimale Rücksicht auf die ökologischen, sozialen und menschenrechtlichen Folgen genommen wird.“ Besonders betroffen, so Hannah Wolf, seien hier: Indigene und Bauern, die angestammte Gebiete verlassen müssten und dann in städtischen Armutsvierteln landeten, obwohl für die Philippinen gelte: „Lokale Gemeinschaften sind wichtig, Einkommensquellen sehr ortsgebunden.“ Dabei gebe es vorbildliche Bestimmungen zum Schutz der Indigenen: „Aber die Umsetzung der Gesetze ist schlecht.“ Trotzdem seien sie eine gute Grundlage, um Rechte überhaupt einzufordern. Für die Referentin ein entscheidender Ansatz, ihre Hoffnung für die Philippinen zu behalten. Den zwei Dutzend Zuhörenden gab Hannah Wolf noch einen Tipp, wie sie selbst das Land unterstützen könnten. Man möge sich für den Schutz des Lieferkettengesetzes einsetzen, das in Gefahr sei: „Dabei bekämpft es Menschenrechts-Verletzungen und Umweltzerstörung auf der ganzen Welt.“
Ausdrücklich lobte Otto Marburger als Teil des Literaturpflaster-Teams die hervorragende Arbeit des Philippinenbüros in Köln. Gern überreichte er einen der beliebten Literaturpflastersteine an dessen Bildungsreferentin Hannah Wolf. Ein zweiter Dankeschön-Stein ging an Lea Burwitz, im Berleburger Rathaus die Projektmanagerin für Kommunale Entwicklungspolitik, die die Literaturpflastererinnen erst auf das Philippinenbüro hingewiesen hatte.
Text und Fotos: Jens Gesper