Persönliche Erinnerungen als Lebenselixier auf dem Literaturpflaster
Bilder aus der Graphic Novel von Paolo Herras und Jerico Marte sind bis 14. November in der Berleburger Sparkasse zu sehen
Bad Berleburg. Wahrheit und Lüge - schon für die Gegenwart wird es scheinbar immer schwieriger, zwischen richtig und falsch zu unterscheiden. Es gibt sogar echte Menschen und künstliche Bots, die in angeblich Sozialen Medien so tun, als gebe es da gar keinen Unterschied mehr. Lügen sind jetzt „alternative Fakten“. Noch schwieriger wird das mit der Vergangenheit. Genau das ist in diesem Jahr ein Literaturpflaster-Thema. Die Filipinos Paolo Herras und Jerico Marte beschäftigen sich damit in ihrer Graphic Novel „Strange Natives - die vergessenen Erinnerungen einer vergesslichen alten Dame“. Schon der bandwurm-lange Titel des bebilderten Romans nimmt in kompliziert-komplexer Doppeldeutigkeit das Problem perfekt aufs Korn. Was bleibt von vergessenen Erinnerungen?
Fragen konnten jetzt die Wittgensteiner auf dem Literaturpflaster stellen, denn in der Berleburger Hauptgeschäftsstelle der Sparkasse Wittgenstein fand im Beisein des Autors Paolo Herras und des Zeichners Jerico Marte die Eröffnung der Ausstellung statt, die 30 Seiten aus den vergessenen Erinnerungen präsentiert. Vergrößert werden die Bilder in Rahmen mit den Maßen 50 mal 65 Zentimeter in der Sparkasse gezeigt. Paolo Herras, der die Geschichte erdacht hat, führte hier aus, dass die lange Herrschaft von Kolonialmächten und Besatzern wichtiger Verständnis-Schlüssel ist: Das Unterdrücken von Menschen, Werten und alten Traditionen, das Überstülpen fremder Bräuche und Maßstäbe, alles gewaltsam durch übermächtige Eroberer, all das wirkt bis heute nach. Dem kann man nur entgegensetzen: das Leben selbstbestimmt leben und persönliche Erinnerungen sammeln. Erzählt wird die knifflige Geschichte in den üppigen Bildern des Illustrators Jerico Marte, der eine fantastische Welt entwirft, gezeichnet im feinen Strich, mit überbordend vielen, akkuraten Details.
Fragen stellten bei der Ausstellungseröffnung Schülerinnen und Schüler, die in vorhergehenden Graphic-Novel-Workshops für die Berleburger Realschule und das Johannes-Althusius-Gymnasium mit den beiden Künstlern von den Philippinen zusammengearbeitet hatten. So erfuhr man von der künstlerischen Arbeit und den professionellen Grundüberzeugungen der Zwei. Hörte man ihnen penibel zu und schaute genauer auf den tiefsinnigen Inhalt des kongenial illustrierten Werks, dann wurde klar, wie wenig eine Graphic Novel mit dem zu tun hat, was in Deutschland mit dem Wort „Comic“ manchmal etwas abschätzig bezeichnet wird. Im Englischen benutzten Paolo Herras und Jerico Marte diese Vokabel jedoch mit großer Selbstverständlichkeit und Selbstbewusstsein. Außerdem konnten die Zuhörenden etwas mehr über die anderen Berufe der Beiden erfahren: Paolo Herras ist nämlich in Manila auch noch Verleger für Graphic Novels - und damit geschäftlich ein Streiter für dieses Genre, Jerico Marte arbeitet indes auf dem Bauernhof seiner Eltern, neben der Hühner-Haltung geht es dort um die Ernte von Kokosnüssen und Kochbananen.
Unter den gut 80 Zuhörenden in der Sparkasse waren viele Schülerinnen und Schüler. Um Fragen zu stellen, aber auch um die großen Seiten aus dem Strange-Natives-Buch anzuschauen. Diese hängen im ersten Stockwerk der Sparkasse. In der zweiten Etage gibt es außerdem Bildergeschichten von den Jugendlichen aus den sechs Graphic-Novel-Workshops: Die Schülerinnen und Schüler haben nach den einzelnen Seminaren gemeinsam die fünf oder sechs besten Arbeiten ausgesucht. Zu sehen ist die Ausstellung während der Öffnungszeiten der Berleburger Sparkassen-Hauptgeschäftsstelle noch bis Freitag, 14. November. Eine gute Gelegenheit, wahre, echte, spannende Erinnerungen zu sammeln.
Text und Fotos: Jens Gesper



















