Aus dem Widerstand zum Aushängeschild
Der renommierte 71-jährige Schriftsteller Jose Dalisay las auf dem Berleburger Literaturpflaster aus seinem ersten Roman
Bad Berleburg. „Killing Time in a Warm Place“, das kann man übersetzen mit: Zeit totschlagen an einem warmen Ort. Ebenso kann aber auch gemeint sein: Zeit zum Töten an einem warmen Ort. Der warme Ort war ganz klar der Insel-Archipel Philippinen. Über die sonstige Doppeldeutigkeit im Titel seines Romans freute sich jetzt Jose Dalisay bei seiner Lesung auf dem Berleburger Literaturpflaster. Und darüber, dass der englische Name genauso für die deutsche Ausgabe übernommen wurde. Denn seine Geschichte handele von Beidem. Und Jose Dalisay muss es wissen. Nicht nur, weil er den Roman geschrieben hat, sondern auch weil er die Geschichte selbst erlebt hat. Wie sein Protagonist Noel im Roman war der Autor selbst in den 1970er Jahren im studentischen Widerstand gegen den unrechtmäßigen Präsidenten Ferdinand Marcos und seine Diktatur. Wie Noel ging Jose Dalisay zeitweise in den Untergrund. Wie Noel war Jose Dalisay zeitweise im Gefängnis. Wie Noel musste sich Jose Dalisay mit den politischen Gegebenheiten arrangieren, um sein Leben zu finanzieren. Bei der Lesung im Foyer der EJOT-Holding im Berleburger Herrengarten erklärte es der Schriftsteller vor 60 Zuhörenden so: „Ich wollte kämpfen, aber ich wollte auch überleben.“ Eine Dilemma-Situation, in die Menschen immer wieder und überall in unfreien Gesellschaften geraten.
„Killing Time in a Warm Place“ war Jose Dalisays erster Roman. Wie bei den meisten Autoren sei sein Erstling auch autobiographisch gewesen. Pi mal Daumen taxierte er, dass Noels Geschichte etwa zu 60 Prozent seine eigene gewesen sei. Aber die künstlerische Freiheit in einem fiktionalen Text habe ihm mehr Möglichkeiten gegeben, dem Leben der Menschen seines Volkes einen Sinn zu geben. Ein Volk, das sich an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert in den neuen Kolonialherrn „Amerika“ verliebt habe, nachdem dessen Soldaten zunächst 100.000 Filipinos im Krieg getötet hätten. Ein Volk, das zwei legale Wahlperioden lang in die wirtschaftlichen Erfolge des gutaussehenden Ferdinand Marcos - ein exzellenter Rechtsanwalt und brillanter Redner - viel Hoffnung gesetzt habe. Doch dann in einer dritten, einer illegalen Marcos-Amtszeit regierten allein Korruption und Vetternwirtschaft.
1986 war Jose Dalisay mit seiner Ehefrau June, die ihn jetzt nach Bad Berleburg begleitete, bei der Revolution dabei, die die Marcos-Herrschaft beendete. Anschließend ging der Autor nach Amerika, schrieb dort auf Englisch den Roman, der die Abschlussarbeit seines Universitäts-Studiums war. Man habe das Buch sofort in den USA veröffentlichen wollen, doch er wollte, auf den Markt komme, so Jose Dalisay: „Für mich war es wichtiger, dass mein Volk den Roman liest.“
Im Nachwort von 2024 zum Roman erklärt Jose Dalisay die ursprüngliche Motivation für „Killing Time in a Warm Place“: „Ich dachte damals, das Beste wäre es, einen Roman zu schreiben, in dem ich versuchte zu erklären, wie und warum Menschen in den Bann einer Diktatur geraten so wie in Nazi-Deutschland. Mein Roman sollte eigentlich von der Vergangenheit handeln. Warum ist er plötzlich wieder so aktuell?“ Denn der Präsident auf den Philippinen heißt wieder Ferdinand Marcos und ist der Sohn des früheren Diktators. Interessanterweise war der 71-jährige Jose Dalisay jetzt dennoch ein prominentes Aushängeschild für den staatlich organisierten Auftritt der Philippinen auf der Frankfurter Buchmesse. Irgendwie sendet auch das Land also doppeldeutige Signale.
Text und Fotos: Jens Gesper










