Weil die Reisebeschränkungen es nicht anders zulassen, werden die Autoren per Video in Bad Berleburg zugeschaltet.
Bad Berleburg. (vö) Das Bad Berleburger Literaturpflaster ist zurück – mit viel Kreativität, Geduld und Herzblut. Nach dem Corona-Totalausfall im vergangenen Jahr, ist in den vergangenen Monaten ein Programm zusammengewachsen, das Hoffnung macht. Hoffnung darauf, dass im kommenden Jahr wieder wie gewohnt die Literatur mit ihren Hauptdarstellern, den Autoren, in der Odebornstadt einen breiten Raum einnimmt.
"Natürlich waren wir ein bisschen nervös, weil wir uns an ein komplettes Experiment herangewagt haben. Aber es hat funktioniert, das Publikum hat sich mitnehmen lassen."
Rikarde Riedesel
Organisatorin Literaturpflaster
Dennoch: Die Organisatoren holen auch in diesem Jahr alles heraus aus der Veranstaltungsreihe, was machbar ist. Dazu muss man wissen, dass aufgrund der Reisebeschränkungen die kanadischen Autoren nicht zur Frankfurter Buchmesse anreisen – und somit natürlich auch nicht nach Bad Berleburg kommen. Doch die Autoren werden zur Lesung per Video dazu geschaltet und stehen für eine Diskussion zur Verfügung.
Die Auftakt-Lesung am Dienstagabend im Bürgerhaus am Markt gehörte Michael Christie. Der Kanadier stellte seinen Roman „Das Flüstern der Bäume“ gut zwei Dutzend Zuhörern vor – und landete mit seinem Werk erschreckend nah an der Realität. Denn auch das Waldsterben thematisierte der Autor in vielen Details. Ihm gehe es darum, sagte er am Dienstag vor seinem Bad Berleburger Publikum, zum einen die beeindruckende Natur darzustellen, zum anderen aber auch aufzuzeigen, unter welch brutalem Druck die Bäume stünden. „Waldsterben hat viele Ursachen, es ist die Summe der Einflüsse, die den Bäumen zu schaffen macht“, unterstrich Christie. In Deutschland seien die Fichten betroffen, in Kanada Lärchen und Douglasien.
Michael Christie verfügt über ein wunderbares Erzähltalent. Ihm gelingt es, die Lebensgeschichten von vier Generationen miteinander zu verweben. Wald, Bäume, Holz und der Umgang damit sind das verbindende Element zwischen den Handlungssträngen. Der Roman reicht vom beginnenden 20. Jahrhundert bis in die Zukunft, die Mitte des 21. Jahrhundert. Michael Christie schildert die Figuren und ihre verschlungenen Lebenswege so plastisch, dass man förmlich in die Geschichte hineingesogen wird. Die Handlungsstränge wechseln, so dass der Perspektivwechsel zusätzlich die Spannung erhöht.
Die Geschichte von Jacinda spielt in der Zukunft nach dem großen Welken, nachdem Bäume eine geschützte Rarität geworden sind und die Erde im Staub versinkt. Diese Vision hat eine Aktualität, die zum Nachdenken zwingt. Es ist erschreckend, wie nah uns diese Zukunft mit dem Sterben der Wälder kommt.
Der Autor verbrachte – per Video – die gesamten 90 Minuten mit seinem Bad Berleburger Publikum. Die deutsche Fassung seines Romans präsentierte Christiane Biechele. Rikarde Riedesel, die das Liturpflaster federführend organisiert, betonte im Nachgang, dass sie sich über die gute technische Umsetzung freue – auch dank der Unterstützung von Matthias Schneider vom Jugendförderverein: „Natürlich waren wir ein bisschen nervös, weil wir uns an ein komplettes Experiment herangewagt haben. Aber es hat funktioniert, das Publikum hat sich mitnehmen lassen.“
Sie freue sich einfach über jeden Besucher, der das Literaturpflaster 2021 begleite, so Rikarde Riedesel. Allerdings habe sie auch für jeden Literatur-Freund Verständnis, dem das angesichts der Pandemie noch etwas zu früh sei. Eines könne sie aber schon mit Blick auf das Jahr 2022 versprechen. Es werde definitiv wieder eine gedruckte Version des Programms geben, für den Geldbeutel oder die Pinnwand. Das sei in diesem Jahr einfach deshalb nicht möglich gewesen, weil sich viele Programmpunkte erst im August oder September bestätigt hätten.
Mehr Informationen gibt es im Netz unter www.literaturpflaster.com.
Von Martin Völkel