Die Liebe zum Parabolbogen

Vortrag über moderne und zeitgenössische Architektur in Katalonien zum Literaturpflaster

ahe Bad Berleburg. Im Rahmen des ausklingenden Berleburger Literaturpflasters gab der Architekturkritiker Klaus Englert am Dienstagabend in den Räumen der Sparkasse Wittgenstein einen weitschweifenden Überblick über prominente Bauten, Plätze und Kunstwerke Barcelonas. Englert gewährte Einblicke in die Zeit des Jugendstils und Eklektizismus sowie in die zeitgenössische Bauwut der Katalanen. So entstand allmählich ein farbiges Kaleidoskop von der Stadt.

Ein Schwerpunkt galt den Markthallen und Marktplätzen Barcelonas. Einer ihrer bedeutendsten, der »Mercat de la Boqueria«, an der Prachtstraße »La Rampla« gelegen, war bis ins 19. Jahrhundert vornehmlich von Klöstern gesäumt. Mit dem Abriss des »Konvent Sant Josep« 1835 entstand auf der freigewordenen Fläche ein fester Handelsplatz. Bald darauf wurde der Markt vergrößert und der Architekt Mas Vilà errichtete eine feste Halle darauf. 1914 erhielten die Markthallen dann das gusseiserne Jugendstilportal, das heute noch vielen Reiseführern zur Werbung dient und das durch seine geschwungene Form an die Eingänge der Pariser Métro erinnert.

Der Jugendstil oder der »modernisme«, wie er spanisch genannt wird, war eine prägende Epoche in der Hauptstadt der autonomen Region Kataloniens und Antoni Gaudi mit seiner vegetabilen Formensprache sicher ihr wichtigster Vertreter. Sein Lebenswerk, der bis heute unvollendete Sakralbau »Sagrada Familia« und Jean Nouvels plastischer Parabolbogen, der 142 Meter hohe »Torre Agbar« an der Avinguda Diagonal des heimischen Wasserkonzerns überragen heute das Stadtbild. Kathedrale und Konzern demonstrieren sehr eindrucksvoll, warum Barcelona Architekturliebhabern heute als »Welthauptstadt der Architektur« gilt. Dem »Torre Agbar« setzte der jung verstorbene Architekt Enric Miralles den gigantischen Komplex »Torre de Gas Natural« auf der Barcelonetta entgegen, die Headquarters des wichtigsten Energiekonzerns der iberischen Halbinsel. Miralles bereicherte Barcelona außerdem mit der wellenförmigen Dachkonstruktion über dem »Mercat de Santa Caterina«, das 67.000 hexagonale Farbformen bedecken, Farbnuancen, die sich alle aus den angebotenen Obst- und Gemüsewaren ableiten lassen. Den olympischen Sommerfestspielen 1992 in Barcelona gingen große städteplanerische und infrastrukturelle Veränderungen voraus, der die Stadt unter anderem einen Zugang zum Meer verdankt. Die einstmals verbauten Hafenanlagen und dunkle Quartiere wichen heute großzügig angelegten Plätzen und Parkanlagen, welche unterdessen gut von der Bevölkerung angenommen sind und zur Steigerung der Lebensqualität beitragen. Ein weiterer Aspekt war Englert die reiche Museenlandschaft der Stadt wert. Er erinnerte an Ludwig Mies van der Rohes Barcelona-Pavillon von der Weltausstellung 1929, zeigte das »MACBA« des amerikanischen Architekten Richard Meier sowie das Miniforum des Schweizer Architektenduos Herzog und de Meuron auf dem Expogelände. Gegen Ende führte der Referent seine Zuhörer zu Bauten und Landschaften außerhalb Barcelonas. Er stellte das Juan Miro Museum oberhalb Palma de Mallorcas vor, das der spanische Stararchitekt Rafael Moneo vollendete, führte in die eher vulkanreiche Landschaft im Norden nach Olot, wo die noch junge Architektengemeinschaft »RCR« ein meditatives Hotel der Superklasse errichtete und schließlich nach Tarragona.

Der Vortrag hätte im Ganzen etwas spritziger ausfallen dürfen. Nichtsdestotrotz gelang es Klaus Englert bis zum Ende seines eineinhalbstündigen Vortrags, seine Faszination am Wandel der Stadt zu transportieren, an der er die Zuhörer auf teilweise sehr private Weise teilhaben ließ. Diejenigen, die geblieben sind, reisen bestimmt bald einmal dorthin.


Siegener Zeitung (19.10.2007)

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