„Der Verräter“

Beim Literaturpflaster las Ingar Johnsrud im Amtsgericht

Autor Ingar Johnsrud (l.) las mit seiner deutschen Stimme Dietmar Wunder im Bad Berleburger Amtsgericht. (SZ-Foto: Guido Schneider)

Bad Berleburg. (schn) Wenn das Literaturpflaster im Bad Berleburger Amtsgericht Station macht, dann ist klar, eine Lesung mit Mord und Totschlag steht an. „Gnadenlos wie Nesbø, komplex wie Larsson, rasant wie Adler-Olsen“, so hatte der Blanvalet-Verlag seinen Autor Ingar Johnsrud angekündigt. Doch der sah sich gar nicht bewusst in der Tradition der skandinavischen Krimis. Es sei wohl mehr Zufall und seiner norwegischen Herkunft geschuldet, dass er seine Krimis komplex und wie einen Thriller aufbaue. Der klassische Rätselkrimi der britischen Tradition liege ihm nicht, so Ingar Johnsrud am vergangenen Freitag bei der Lesung. Sein Schreibstil hat sicher auch mit seinem Beruf zu tun: Wie viele andere Krimi-Autoren auch, hat er das Schreiben als Journalist gelernt und als solcher in gesellschaftliche und menschliche Abgründe geschaut.

So hat er die Geschichte eines schwedischen Geistlichen, der sein Kindermädchen sexuell dominiert und gehirngewaschen hat, um sie zu Morden anzustiften, in seinen Büchern verarbeitet. Extremismus zeige sich in ganz unterschiedlichen Formen, und hier sei es eben Fanatismus gewesen, kein anderer Kulturkreis, im Gegenteil, es waren „blonde, weiße Menschen, Christen“, wie es Johnsrud ausdrückte. Ingar Johnsrud sagte das mit Bedacht, schaute sein zahlreiches Publikum sehr genau an. Mit diesem differenzierten und genauen Blick auf die Gesellschaft geht er auch seine Bücher an. Mit „Der Verräter“, dem dritten Teil seiner Trilogie über Kommissar Fredrik Beier, war er der erste Hochkaräter des diesjährigen Literaturpflasters.

Der Inhalt lässt sich so umreißen: Ein Mitarbeiter des norwegischen Verteidigungsministeriums und seine Freundin werden ermordet in einer Autowaschanlage gefunden. Das Wort „Verräter“ wurde auf den Wagen geschmiert. Wenige Tage später verschwindet eine Reporterin spurlos. Sie hatte nicht nur in der Vergangenheit des Toten gewühlt, sie suchte auch nach Informationen über Hauptkommissar Fredrik Beiers verstorbenen Vater. Als während der Ermittlungen immer mehr Verbindungen zu Fredriks Leben und seiner Vergangenheit auftauchen, muss er sich fragen, wem er noch trauen kann.

Der dritte Fall von Fredrik Beier ist sein persönlichster, denn es geht immer wieder um seine Familie, es geht um Väter und Söhne, gleich in mehrfacher Hinsicht … Mehr wird nicht verraten: So hielt es der Autor mit seinen beiden deutschen Stimmen Margarete von Schwarzkopf und Dietmar Wunder. Der Roman wurde professionell geteasert, ohne Zentrales zu verraten. Deutlich wurde auch: Ingar Johnsrud ist ein Freud klarer Worte und teils expliziter Sprache. Er nennt Dinge, wie sie sind, und sucht sich gern ungewöhnliche Spielorte aus. So ist die Waschanlage nicht nur Tatort, sondern auch Ort sexueller Abenteuer. Er nimmt sich Zeit, sein Opfer vorzustellen, er erschafft einen Menschen, der nicht nur eine Funktion erfüllt. Das ist sicher eine seiner Stärken.

Zu den Stärken des deutschen Vortrags zählt auf jeden Fall Dietmar Wunder. Der Synchronsprecher, der unter anderen Adam Sandler und Daniel Craig seine Stimme leiht, las nicht nur in Bad Berleburg, er hat auch die Hörbuchversion eingesprochen. Wunder schafft es, den Figuren Johnsruds Persönlichkeit zu verleihen.

Von Guido Schneider


Siegener Zeitung (23.09.2019)
Internet: www.siegener-zeitung.de
Bildquelle: SZ-Foto von Guido Schneider (schn)

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