Bad Berleburg. Beim Konzert im Rahmen des Berleburger Literaturpflasters zeigen die drei Musiker ihr virtuoses Können – und das sogar ohne langes Zusammenspiel.
Zum Glück ist die Virtuosität grenzenlos – diese Erkenntnis gilt zwar nicht erst seit Montagabend, doch dort hat sie sich nochmal verfestigt. Zumindest bei jenen Menschen, die das Glück hatten, in der Schalterhalle der Sparkasse in Bad Berleburg einen Platz ergattert zu haben. Das Konzert „Northern Lights & Balkan Beats“ der Veranstaltergemeinschaft des 26. Berleburger Literaturpflasters sorgte für eine musikalische Konstellation der Extra-Klasse.
Pianist Ulrich van der Schoor und Tubist Attila Benkö – bekannt als Solisten sowie als eingespieltes Duo des Ensembles Tuba Libre – begründeten auf der eigens konzipierten Bühne zusammen mit der norwegischen Violinistin Ragnhild Hemsing eine musikalische Kooperation aus Folk, Klassik und Jazz. Der besondere Reiz des Abends lag neben den ursprünglichen Einflüssen der Stücke aus Norwegen, Südosteuropa und Südamerika gleichzeitig auf den genuinen Hintergründen der Künstler:
Hemsing kann Klassik und Folk
Van der Schoor kombinierte seine Piano-Klänge teilweise mit welligen Synthesizer-Sätzen, was generell im Zusammenspiel mit der mal sanft, mal tief brummenden Tuba von Benkö sehr einstudiert wirkte. Natürlich musiziert das Ensemble seit zwei Jahren zusammen, doch stieß Hemsing erst am vergangenen Freitag, also fünf Tage vor dem Konzert in der Sparkasse, dazu. Diese kurze Vorbereitungszeit erforderte also große improvisatorische Klasse, zumal Hemsing musikalisch sehr variabel ist.
Die heute 31-jährige, gebürtige Norwegerin lernte bereits im Alter von fünf Jahren Violine und das norwegische Traditionsinstrument „Hardingfele“ (deutsch: Hardangerfiedel), so dass ihre Klangfarbe neben dem klassischen eben auch jenen traditionellen Folk-Charakter besitzt. Im ersten Solo Hemsings, den Hardangerfiedel I, wurde dieser deutlich, da die Künstlerin strahlte und, wie im Folk üblich, mit den Füßen wechselnd den Takt wippte.
Im Trio folgte mit Georg Breinschmids Schnabulescu Bandini der erste Auftritt als Trio, bei dem Benkös kurze Spitztöne mit van der Schoors und Hemsings Klängen wie eh und je verbandelt wirkten.
Tuba Libre verzaubern den Gast
Immer wieder virtuos bauten Tuba Libre zwischendurch musikalische Brücken, wie bei „Variations on Gula Gula“ von Marie Boine, das die außergewöhnliche Mischung aus Piano, Synthesizer und Tuba sehr melancholisch bündelte. Gerade an Stellen wie dieser zeigte sich auch die Magie der Virtuosität unter Virtuosen: Wie auch nach der schwedischen Ballade Sang til Lotta (diesmal Sang til Ragnhild) schaute die fast durchweg strahlende Hemsing mit glänzenden Augen fast gedankenverloren in die Ferne. Das mal sanfte, mal raue Zusammenspiel aus Tuba und Piano verzauberte scheinbar nicht nur das Publikum.
Die beiden Höhepunkte des Abends inszenierte das Trio einmal bei Edvard Griegs „Peer Gynt Suite“ und zum Ende bei den Eastern Folk Dances von Etienne Crausaz. War das erste Stück des Norwegers bestimmt durch sprunghafte und zarte Töne – Hemsing zupfte ihre Violine zeitweise –, entwickelte das sich langsam aufbauende Tempo des für eine ungarische Hochzeitsgesellschaft gedachte Stück die geballte Energie des musikalischen Dreigestirns.
Zwischendurch unterhielt Benkö mit Tuba-Solis und im Zusammenspiel mit dem „trockenen Humor“ seines Tuba-Libre-Partners van der Schoor das Publikum, was durchaus auflockerte und vermutlich auch dem improvisatorischen Abend den zwanghaften Charakter nahm. Denn dass dieses neu konzipierte musikalische Abenteuer auch tatsächlich auf diese famose Art und Weise glückte, war dem Können dreier außergewöhnlicher Künstler zu verdanken – Virtuosen auf ihrem (musikalischen) Gebiet und darüber hinaus.
Von Mark Simon Wolf