Wemlighausen. Die georgische Autorin Iunona Guruli reiste aus ihrer Wahlheimat Berlin an und präsentierte bei der zweiten Lesung des Bad Berleburger Literaturpflasters im Abenteuerdorf Wemlighausen Auszüge aus ihrem ersten Buch "Wenn es nur Licht gäbe, bevor es dunkel wird".
Das Abenteuerdorf in Wemlighausen ist wohl den meisten Bewohnern des Altkreises Wittgenstein ein Begriff. Egal ob in der Grundschule oder während der Konfirmandenfreizeit, an eine Übernachtung in den liebevoll renovierten Blockhütten kann wohl fast jeder zurückdenken.
Iunona Guruli wurde in Georgien geboren und lebt seit einigen Jahren in Berlin. Die 40-Jährige studierte Schauspiel und Journalistik in ihrer Heimat Georgien und bezeichnete das Schreiben als ihre "ganz eigene Therapie. Mehr als ein Hobby sollte es eigentlich nicht sein", so Guruli. Ihre ersten Geschichten und Gedichte veröffentlichte sie auf Facebook oder gab sie ihren Freunden.
Autobiografische Erzählungen
Den Weg, den ihre Geschichten eingeschlagen haben, kann sie immer noch nicht begreifen. "Irgendwann kam auf einer Party ein Schriftsteller auf mich zu und meinte, aus meinen Geschichten solle man etwas machen", erinnert sie sich. Doch ihre Erzählungen waren nicht für die Öffentlichkeit gemacht: "Meine Werke sind teilweise autobiografisch. Da wollte ich nicht unbedingt, dass meine Mutter oder der Mann, um den es geht, die Situation sofort erkennen." Nach ihrer Tätigkeit als Übersetzerin, auch für Aka Morchiladze, der ebenfalls zu Gast war, begann sie, ihre eigenen Geschichten auf Deutsch zu verfassen.
Ihr Buch "Wenn es nur Licht gäbe, bevor es dunkel wird", beinhaltet viele Kurzgeschichten, die immer zu früh enden. Die Geschichten regen zum Nachdenken an und nehmen den Leser mit in eine Gesellschaft, die zerrüttet und durch Depression und Ausweglosigkeit gezeichnet ist. Guruli las selbst aus ihrem Buch vor. An manchen Stellen brach ihre Stimme und sie musste eine kurze Pause einlegen bevor sie weiterlesen konnte. "Die Geschichten gehen mir alle nahe, aber die, die auch biografische Züge beinhalten besonders", so Iunona Guruli.
Trostlose Situationen
Ihre Kurzgeschichten zeichnen sich durch die Schwere des Inhalts und die dagegengesetzte Leichtigkeit der Sprache aus. Rikarde Riedesel, die Moderatorin des Abends, war begeistert von dieser Art der Erzählung.
"Ich wollte nicht unbedingt, dass meine Mutter oder der Mann, um den es geht, die Situation sofort erkennen."
Iunona Guruli (40), georgische Autorin aus Berlin
"Die Geschichten erzählen oft von Gewalt gegen Frauen oder von trostlosen Situationen, die die Leser erstmal bedrücken", sagte sie. "Aber immer gibt es einen Lichtblick, einen Ausweg – die Sprache und der Ausdruck tragen viel dazu bei." Die Umgebung des Abenteuerdorfes unterstützte die abenteuerlichen Geschichten Gurulis. Besonders oft griff sie die Gedankenwelt weiblicher Protagonisten auf, die unter der Regierung oder gewalttätigen Ehemännern litten. "Leider ist es in Georgien immer noch so, dass Frauen als Menschen zweiter Klasse gesehen werden. Gewalt und Unterdrückung stehen beinahe für jede Frau an der Tagesordnung und das kann ich nicht akzeptieren", so Guruli. "Jeder trägt die Verantwortung, dass sich die Gesellschaft Schritt für Schritt ändert – ich versuche anderen das Gefühl zu vermitteln, dass sie nicht allein sind."
Guruli arbeitet momentan an ihrem ersten Roman, den sie auf Deutsch schreibt: "Manchmal, wenn ich meine eigenen Geschichten übersetze, wird ein georgischer Satz auf vier deutsche ausgebreitet – damit mein Gedankengang klar wird."
Von Carolin Battenfeld