Bad Berleburg. Sie ist begehrte Gesprächspartnerin bei Rundfunk, Fernsehen und Presse: Die georgische Filmemacherin, Drehbuchautorin und Schriftstellerin Nana Ekvtimishvili ist derzeit rund um die Frankfurter Buchmesse und bei Lesungen eine gefragte und erfolgreiche Protagonistin der Georgischen Literatur-Szene, auch wenn sie mittlerweile in Berlin lebt.
Nun war sie in Bad Berleburg zu Gast – und das Ejot-Labor wurde zum "Leselabor". Begleitet von Rikarde Riedesels Moderation stellte sie in ausverkauftem Haus nicht nur ihren Roman "Das Birnenfeld" vor, sondern äußerte sich auch durchaus grundsätzlich zu ihren Tätigkeiten in den Bereichen Film und Literatur.
"Mein Herz schlägt für alles, was ich mache. Ich mache nichts halbherzig" – so lautete ihre zentrale Aussage auf die Frage, was denn nun ihr Schwerpunkt sei. Film, Drehbuch oder Literatur?
"Schreiben ist für mich, wie Denken, ein natürlicher ZuZustand", sagt sie. Und sie fährt fort: "Literatur ist etwas Intimes, beim Schreiben bist du allein mit dir selbst. Beim Film hast du jede Menge Menschen um dich herum. Da ist man nie allein." Zu den Unterschieden zwischen Literatur und Film sagt Nana Ekvtimishvili: "Film hat einen Rahmen, die Leinwand. Alles, was für den Film geschrieben wird, hat das Ziel, in diesen Rahmen zu kommen. Literatur hat die tolle Kraft, alles nur mit Worten greifbar zu machen. Beim Buch bin ich freier, ich muss nicht das Visuelle beachten."
Zweites Buch in Arbeit
In ihrem Buch "Das Birnenfeld" beschreibt Nana Ekvtimishvili eine Geschichte in einem Kinderheim für geistig behinderte Menschen in Tbilissi.Und ganz offenbar sind die Kinder in dem Relikt der Sowjet-Zeit vor allem eines: abgeschoben und verlassen. Wie Irakli, dessen Mutter wieder ohne ihn nach Griechenland zurückgekehrt ist. Die zornige 18-jährige Lela kümmert sich an Stelle der überforderten Lehrer um ihn, wie um die anderen verlassenen Kinder.
"Ich bin in der Nachbarschaft von diesem Heim aufgewachsen, sonst hätte ich mich nie getraut, so ein Thema anzufassen", so Nana Ekvtimishvili und fährt fort: "Natürlich ist das Buch Fiktion, aber nichts in dem Buch könnte nicht genauso passiert sein."
Drastisch schildert sie den verachtenden Umgang des Sowjet-Systems mit Kindern, in dem es keine Grenzen der sprachlichen Brutalität gab. Der Schwache galt nichts. Respekt gab es nur vor denen, die die Macht hatten. Und trotz furchtbarer Situationen von Missbrauch und Gewalt haben die Kinder einen unbändigen Lebenswillen und blicken mit immer neuer Zuversicht in die Zukunft. Die Autorin: "Mich interessiert, wie die Kinder, die so brutal aufwachsen, trotzdem menschlich sein können."
Dann liest sie einige Ausschnitte aus dem Buch vor und fast die Handlung für die Zuhörer kurz zusammen.
"Literatur ist etwas Intimes,
beim Schreiben bist du allein mit dir selbst."
Nana Ekvtimishvili, Schriftstellerin und Filmemacherin
"Sie werden fragen: Warum soll ich jetzt diese grauenvolle Geschichte lesen? Mir war wichtig zu zeigen, dass die Kinder trotzdem auch Mut und Lebensfreude entwickelt haben."
Derzeit schreibt Nana Ekvtimishvili an ihrem zweiten Buch, das von ihrer Kindheit in Georgien unter sowjetischem Einfluss handeln wird. Wieder auf Georgisch, denn "georgische Themen müssen auf Georgisch beschrieben werden", so ihr Fazit an einem überaus faszinierenden und bewegendem Abend.
Von Christoph Haupt
Zur Person
Nana Ekvtimishvili wurde in Georgien geboren und wuchs in einer deutsch-affinen Familie auf.
Deutsch war in ihrer Familie Kultursprache, mit der man die Werke Goethes und Schillers verband. Die Autorin selbst studierte in Potsdam an der Babelsberger Filmhochschule und lebt als Filmemacherin, Drehbuchautorin und Schriftstellerin in Berlin. Sie empfindet den Gastlandsauftritt Georgiens als Meilenstein für das gegenseitige Kennenlernen und die Wahrnehmung von Georgien als eigenständiges Land mit ganz eigener Kultur.