Zwischen Gut und Böse

Literaturpflaster hatte Anna Kordsaia-Samadaschwili zu Gast

Die georgische Autorin Anna Kordsaia-Samadaschwili freute sich über ihren Literaturplasterstein. Schirmherr Prof. Dr. Ralf Schnell freute sich mit. (SZ-Foto: Guido Schneider)

Bad Berleburg. (schn) Es war eine der spannendsten Lesungen des Literaturpflasters der vergangenen Jahre. Prof. Dr. Ralf Schnell (der im Rahmen dieser Lesung – nach sechs Jahren Schirmherrschaft – verabschiedet wurde) hatte den Gästen nicht zu viel versprochen, als er Anna Kordsaia-Samadaschwili mit ihrem Roman "Wer hat die Tschaika getötet?" ankündigte. Das Buch beschere den Lesern ein verstörendes Lesevergnügen, stellte er fest. Die Autorin hat hier eine Werk vorgelegt, das nach ihren eigenen Worten "ein Kriminalroman sein will, es aber nie ist". Der Plot erinnert an die verschlungenen Geschichten von Henning Mankell, nebenbei einer der Lieblingsautoren von Anna Kordsaia-Samadaschwili. Nur ist der Ermittler kein heller Kopf, der mit aller Macht dem Verbrechen auf den Grund gehen will …

Schon die Tatortbesichtigung gleich am Beginn des Buches hat etwas von einer Farce. Auch wenn die Polizei ermittelt, am Ende gibt es keine Auflösung. Auch nicht für die Gäste im Berleburger Autohaus Kroh. Warum bekommt dieser Krimi keinen typischen Schluss? Das passe nicht zu Georgien, ist sich Kordsaia-Samadaschwili sicher. Ihre Heimat habe zwar eine 1500 Jahre alte Literaturgeschichte, aber eben keine Krimitradition. Erst sei man von Russland okkupiert worden, dann Teil des Sowjetreiches gewesen, und schließlich habe es Bürgerkriege gegeben. "Kein georgischer Autor hätte eine Geschichte erzählt, in der die russische Polizei ein Verbrechens aufklärt, vielleicht sogar einen Georgier fängt. Nein!" Nach der Wende hätten die Menschen alles selbst geregelt. Die Figuren des Romans lassen es nicht zu, dass der Ermittler herausfindet, wer die Tschaika, eine Frau, die sich gern mit Schwulen umgibt, getötet hat, sie tarnen und täuschen, sie stellen Fallen und lassen jeden ins Leere laufen. Dabei sind die Charaktere so zahlreich wie vielschichtig. Anna Kordsaia-Samadaschwili schafft es, jeder Figur ein Profil zu geben, sie lebendig werden zu lassen. "Ich gehöre leider zu den Autoren, die keine Fantasie haben", sagt die Schriftstellerin. Also hat sie alle Charaktere aus ihrem Umfeld und ihrem Leben genommen. Wirklich gute Menschen gibt es dabei nicht, jeder hat seine dunklen Flecken. Und es gibt auch keine nur böse Typen.

Der Roman gibt viel preis von Georgien und vor allem seiner Hauptstadt Tiblisi (Tiflis). Weil die Tote eine Tschaika ist, taucht der Roman tief ein in die Homosexuellen-Szene. Dieses Vorgehen passt zu Anna Kordsaia-Samadaschwili, die bitter-böse Ironie und ihren eleganten schwarzen Humor zu einer Kunstform gemacht hat. Verstörend faszinierend!

Von Guido Schneider


Siegener Zeitung (19.10.2018)
Internet: www.siegener-zeitung.de
Bildquelle: SZ-Foto von Guido Schneider (schn)

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