Neuseeland - Einblicke ins Land der Erzähler

Professor Dr. Dieter Riemenschneider referierte Literatur

Eine riesige Flut an Aotearoa – Insider-Wissen spülte Professor Dr. Dieter Riemenschneider mit Ehefrau Jan Kemp (Mitte) in die Apotheke von Karsten Wolter (r.). Mit im Bild: Bettina Born (Kulturgemeinde). (WP-Foto: Christiane Sandkuhl)

Gut 70 begeisterte Zuhörer in der Kur-Apotheke Wolter

Bad Berleburg. (cs) Eine überwältigende Fülle an Autoren, Poeten und somit auch Literatur hat der Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2012, Neuseeland, hervorgebracht. Eine fundierte Betrachtung "Von der Einstimmung zur Vielstimmung" gab Professor Dr. Dieter Riemenschneider in den Räumen der Bad Berleburger Kur-Apotheke zu seinem Favoriten "down under".

Neben hohem Unterhaltungswert des gesprochenen und geschriebenen Wortes bieten die beiden Inseln Neuseelands, Nord- und Südinsel, einen riesigen Umfang an Naturerleben wie Fauna, Flora und der Meereswelt. Kleine Einblicke stimmig zur Gesundheitswelt gaben Apotheker Karsten Wolter und seine Mitarbeiterin Daniela Braun. Sie referierte über das angenehme Nebenprodukt neuseeländischer Schafswolle, das Wollfett, das in zahlreichen Kosmetikprodukten wie Cremes und Salben enthalten ist und zum Schutz vor Hautaustrocknung und als Kälteschutz dient.

Europäer und Aotearoas

"Oh, ihr Leute, die ihr zusammengekommen seid: 'Seid alle gegrüßt!'" - wortgetreu übersetzt begrüßen Maori auf diese Weise ihre Gäste. Die Ureinwohner Aotearoas, wie Neuseeland in ihrer Sprache heißt, blicken auf eine 800-jährige Siedlungsgeschichte und somit auch auf ihre polynesischen Vorfahren zurück. Seit dem 17. Jahrhundert stellten sie sich der Herausforderung europäischer Siedler.

Die maorische Mythenwelt

Die Maori überlieferten ihre Mythen, Sagen und Erzählungen mündlich. Erst durch die Missionierung europäischer Mönche konnte die Literatur schriftlich festgehalten werden. Mit den Europäern auf den beiden Inseln erlebte die Erzählkunst einen ganz neuen Anstrich und boomte geradezu. Neuseeland brachte eine - im Vergleich zur Bevölkerungszahl - hohe Quantität an Denkern und Dichtern hervor. Dr. Dieter Riemenschneider, der mit tatkräftiger Unterstützung seiner Ehefrau Jan Kemp, referierte, legte dem Plenum eine lange Liste, teils sehr namhafter Schriftsteller vor. Dabei zog er stets die Arbeitsweise der Literaten in Betracht in Verbindung zur sozialen Struktur der jeweiligen Generation. Namen wie Katherine Mansfield, Robin Hyde, Frank Sargeson oder John Mullgan werden genannt.

Von Aussiedlern und Einzelgängern

Katherine Mansfield (1888 - 1923) ist federführend für die Landesliteratur. Gut 90 Kurzgeschichten brachte sie hervor, kultur- und sozialkritisch. Viele in Neuseeland geborene Autoren verließen ihre Heimat, übersiedelten in die USA oder nach Europa und legten ihre Sicht auf ihr Geburtsland aus der räumlichen Distanz nieder. So auch Katherine Mansfield.

John Mullgan ist Vorreiter für das große Thema "man alone" - eine Charakterisierung des neuseeländischen Mannes, der anders als das weibliche Gegenstück als isoliert, wortkarg und wenig intellektuell skizziert wird.

Die Thematik der innerfamiliären Gewalt, verdeutlicht Janet Frame, die mit ihren fiktiven Gestalten ein Bild der inneren Gefangenheit malt. Viele Autoren füllen die Inhalte ihrer Werke mit Autobiografie - nicht zur Vereinfachung ihrer Erzählweise, aber zur eigenen psychischen Verarbeitung und zur sozialen Sichtbarmachung des eigenen Bewegtseins.

Auch männliche Kollegen greifen die Vielstimmigkeit und die Auffächerung männlicher und weiblicher Entwicklung wieder. Witi Ihimaera trägt mit seinem Gesamtwerk die Lebensumstände seiner Maori-Vorfahren in moderner Zeit in die Welt. Er schließt Traditionen und Überlieferungen ein und feiert damit weit über die Grenzen Neuseelands hinaus große Erfolge. Ihimaera gibt - genauso wie Patricia Grace - den Stimmlosen, die in ihren Rechten eingeschränkt sind, einen Funken Hoffnung auf Entfaltung. Die Renaissance in der Maori-Kultur bekommt mit ihnen besonderes Gewicht.

Der zweistündige Vortrag von Dieter Riemenschneider fesselte die gut 70 Zuhörer in der Apotheke. Der Referent musste sich selbst bremsen. Die Euphorie über das Land, in dem er selbst acht Jahre lebte und auch seine Frau Jan kennenlernte, war dem Experten anzumerken und nur von Vorteil. So konnten die Literaturfreunde eine unglaubliche Flut an Begeisterung mitempfinden und das Land für sich selbst entdecken.

Von Christiane Sandkuhl


WESTFALENPOST (28.09.2012)
Internet: www.derwesten.de/staedte/bad-berleburg/
Bildquelle: WP-Foto von Christiane Sandkuhl (cs)

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