Bad Berleburg. (cs) Alan Duff avancierte in seinem Heimatland Neuseeland in kürzester Zeit zum literarischen Superstar. Der Halb-Maori glaubte selbst nicht an derartigen Erfolg zunächst in Down-under. Doch nach der Verfilmung seines Buches "Warriors" war es in der literarischen Welt wie die Detonation einer Granate, der Ausbruch eines Vulkans. Schlagartig bekam der Name Alan Duff Bedeutung. Seine in deftige Ausdrucksweise verpackten Elemente eigener Biografie gefielen den Menschen in Neuseeland. Und nicht nur hier machte seine traurig, brutale, von Gewalt und Zerstörung geprägte Lebensgeschichte Furore.
Das Publikum in der voll besetzten Cafeteria der Berleburger Odebornklinik lernte mit Faszination, dennoch mit sehr bitterem Beigeschmack, Neuseeland und seine Menschen sind nicht allein Ausdruck immerwährender Friedlichkeit, Harmonie und zwischenmenschlich hervorragender Beziehungen.
Es ist nicht die beeindruckende Fauna und Flora, die uns auf der Nordhalbkugel derart emotional aus der Bahn kippen kann. Alkoholismus, ein Manko an Bildung und Arbeitslosigkeit ziehen inter- und intrafamiliäre und soziale Konflikte in sehr breitem Spektrum nach sich.
Vor das Plenum trat ein sehr bewegter Alan Duff, dessen Sorge um das Individuum und die humanen Belange seines Volkes im Gesicht deutliche Spuren hinterlassen haben. Seine Motivation für Menschlichkeit, dem miteinander Auskommen und der positiven Sicht auf das Leben generell wurde auch durch seine Mutter nicht gebrochen. Die Figur des Jake Heke im Roman "Warriors" spiegelt Alan Duffs eigene Mutter mit aller zerstörerischer Macht wider. Alkoholabhängigkeit und Streitsucht beherrschten das Tagwerk der Frau, die so gut wie durch niemanden aufzuhalten war. Selbst im Garten prügelte sie sich mit den Nachbarn um Lappalien.
Alan Duff litt bereits als kleiner Junge in unvorstellbarer Pein darunter, bahnte sich einen individuellen Weg und führte sich selbst mit Schriftstellerei und dem elaborierten Selbstbild und das seiner Familie aus dem tiefen Seelensumpf heraus. Seine persönliche Kraft sorgte auch für die Gründung des Projektes "books in homes". Mit einem großzügigen Sponsoring einer neuseeländischen Logistikfirma gelang es ihm seit der Gründung von "books in homes" 1993 gut 900.000 Bücher aller Art an Kinder und Jugendliche kostenlos zu verteilen. Sein Ansinnen war und ist, den jungen Menschen anhand des Lesens eine Grundbildung an die Hand zu geben.
Über Landesgrenzen hinaus hat Alan Duff mit seinem "Wachrüttel-Roman" Zeichen gesetzt, wenn nicht gar die Welt bewegt, zu Tränen gerührt, zu Zorn erregt. Sein männlicher Lesungbegleiter, Dr. David Eisermann, WDR 3 Kultur-Radio-Moderator, weiß wovon der 62-Jährige erzählt. Er begleitet den Literaten während der Lesungen parallel zur Frankfurter Buchmesse an die unterschiedlichsten Orte. Eisermann bestätigt in seinen Ausführungen zu Duffs Berichten die Gefühllosigkeit vieler sozialer Bereiche der grünen Insel.
Was einst als Mut und Furchtlosigkeit der Maori vor Jahrhunderten in ersten Begegnungen mit den europäischen Siedlern begann, endete für die Mehrzahl im Fiasko, das bis in die Gegenwart reicht. Die Aufarbeitung ist Alan Duff herausragend geglückt. Derbe Sprache, ein fragwürdiger Jargon, der genau so schlagkräftig ist wie Fausthiebe der Gang der "brown fists" lassen den Atem stocken und die Augen vor Empörung weit aufreißen.
Da mag sich so schnell kein Leser dran gewöhnen. Jake Heke ist Protagonist, vielleicht ein Gegenheld, der selbst im Betrachter Wut auslöst. Er steht für ein ganzes Volk, das sich in Resignation dem weißen Siedler gegenüber "hängenlässt". Das fortwährende Alkoholisieren, hier sprechen die Fäuste ist deutlichster Kritikpunkt Duffs an seinen Maori-Mitmenschen. Die Person des Vaters, der Europäer war, wird mild von ihm gezeichnet, der Gegenpol der Mutter. Ein gebildeter Mann, der mit Wissen das aufgefangen hat, was der Mutter ein Leben lang fehlte.
Groll und Unmut sind hier die falschen Worte, um Alan Duffs Sicht zu interpretieren. Vielmehr ist es sein unumstößlicher Wille auf Verbesserung der Lebenssituation der Maori und die Motivation, diesen Menschen das Werkzeug zur Selbsthilfe zu werden.
Von Christiane Sandkuhl