Barbara Ewing schreibt lieber als zu altern

Literaturpflaster Neuseeland: Schauspielerin hat sich mit Erfolg auf die Arbeit als Autorin verlegt

Aus einer guten Schauspielerin entwickelte sich eine reife, hervorragende Romanschriftstellerin. Die in London lebende Neuseeländerin Barbara Ewing (r.) reiste eigens für die Lesung in Bad Berleburg nach Deutschland. Mit im Bild: Rikarde Riedesel (Mitte) und Marlen Jourdan. (WP-Foto: Christiane Sandkuhl)

Bad Berleburg. (cs) Ein männlicher Schauspieler wird mit der Reife seiner Jahre interessant. Weißhaarig, ein mit Falten durchsetztes Gesicht macht neugierig. Besonders die weibliche Welt und Fangemeinde eines alten Bühnen- oder Filmgesteins unterstützen seine Schauspielaktivität und spornen ihn an zu eigenem Mehrtun. Eine alternde Schauspielerin wird einfach nur alt. Ihre Haut welkt und sie gewinnt nicht unbedingt an Attraktivität dazu – so die Sicht der neuseeländischen Krimiautorin Barbara Ewing. Sie ist ausgebildete Bühnenschauspielerin und hat sich mit diesem Phänomen auseinandergesetzt. Für sie war die Alternative zum Alter die Schriftstellerei. Dennoch mag man der auch heute noch sehr attraktiven, reifen Dame, eine gewisse Anziehung auch in diversen Bühnenrollen keineswegs absprechen.

Aus der "Seelenheilerin" gelesen

Dass sie auch in Wort und Historie sehr gut unterwegs ist, bewies Barbara Ewing nun im Rahmen des 19. Literaturpflasters im Gerichtssaal des Bad Berleburger Amtsgerichtes zur Krimilesung ihres Romans "Die Seelenheilerin", der im Englischen unter dem Titel "The Mesmerist" erschien.

In den Richterstand vor ausverkauftem Haus der Lesehungrigen wurde die nunmehr in London lebende Neuseeländerin von Rikarde Riedesel (Stadt Bad Berleburg) und Marlen Jourdan (VHS Siegen-Wittgenstein) begleitet als Moderatorin und deutsche Stimme der Lesung.

Frauenbild der viktorianischen Zeit

Barbara Ewing konzentriert sich in ihrem Werk "Die Seelenheilerin" im sehr weiten Sinne auf das Frauenbild im viktorianischen England. Damals war die Sicherheit für eine Frau geheiratet zu werden und sich um Haus und Hof beziehungsweise um Kinder, Küche und Kirche zu kümmern. Doch was tat eine Frau, der dies alles "abhanden" gekommen ist?

Die junge Schauspielerin Cordelia Preston wurde nach ihrer Heirat mit Lord Ellis zunächst Mutter dreier Kinder, aber wie eine Gefangene gehalten. Nachdem ihre Kinder herangewachsen waren, wurden sie ihr auf unschöne Art entrissen und sie selbst stand mittellos und verlassen ohne die häusliche Sicherheit da.

Sozialkritik

Im Viktorianismus eine unmögliche Situation für eine Frau. Doch für Cordelia keine ausweglose, aber schwierige Situation. Sie tut sich mit Freundin Rillie zusammen und eröffnet mit ihr ein Hypnosestudio.

Mit ihrem historischen Roman, sehr guter sozialkritischer Recherche wie auch sprachlicher Arbeit, begleitet die Autorin die Leser und Zuhörer im Gerichtssaal in eine "dunkle" unbekannte Welt des Magnetismus und der Hypnose. Die beiden Frauen Cordelia und Rillie wollen Menschen in Notsituationen helfen, abseits der Medizin oder sozialer Beratung.

Aus einer guten Schauspielerin entwickelte sich eine reife, hervorragende Romanschriftstellerin. Die in London lebende Neuseeländerin Barbara reiste eigens für die Lesung in Bad Berleburg nach Deutschland. in die Diskussion vertieft Peter Grobbel. Betreiber des Landhaus Wittgenstein mit Barbara Ewing. (WP-Foto: Christiane Sandkuhl)

Frivole Schmunzelmomente

Im Berleburger Gerichtssaal bekamen die Zuhörer durch Marlen Jourdan einige frivole Schmunzelmomente zu Gehör, die dann im Laufe der Lesung in die gemeine Welt des Verbrechens hinabführte. Ein Mord geschieht. Opfer ist der von Cordelia Preston getrennte Ehemann Lord Ellis. Das Mordinstrument, ein schmucker Dolch aus dem Hause Ellis, gibt reichlich Anlass zu Spekulationen auf den Mörder oder die Mörderin.

Um die eigentliche Geschichte und ihre Protagonistinnen Cordelia und Rillie rankt sich eine Menge verdächtige Gesellschaft, auch Anrüchiges, Verbotenes für die Zeit des Viktorianismus, das aber für die Zuhörer offen bleiben musste, denn sie sollen ja den Krimi unbedingt lesen.

Barbara Ewing hat mit Blick auf ihr Geburtsland Neuseeland, das bereits für die Frau im Jahr 1893 einen großen Schritt in Richtung Emanzipation getan hat, nämlich die Einführung des Frauenwahlrechts, eine eindrucksvolle Geschichte zweier Schauspielerinnen vom anderen Ende der Welt in England verfasst.

Eine Gegenwelt tut sich hier auf. Frauen müssen für ihr Leben kämpfen, nicht geächtet, aber mit unendlichen Schwierigkeiten sozialer Art konfrontiert. Sie gehen ihren steinigen Weg, der mit Tücke und sogar Mord gepflastert ist. Ob sie gewinnen, bleibt in Berleburg offen.

Die Spannung in der Lesung durfte Moderatorin Rikarde Riedesel nicht weiter ausführen. So gern hätte sie mehr erzählt, die eigene Euphorie und Begeisterung darüber überwältigte sie.

Publikum suchte das Gespräch

Barbra Ewing gab in anschließender Diskussion im Gerichtssaal quasi ihr Plädoyer für den Roman, für den sie sich tief in die Materie Seelenheilung durch heute noch umstrittenen Mesmerismus beschäftigte und verwies auch auf ihre weiteren historischen Romane.

Sie hinterließ ein Publikum voller Neugier, das auch im Anschluss noch lange das Gespräch mit ihr suchte.

Von Christiane Sandkuhl

Staatspräsidenten lasen bereits in Bad Berleburg

Das Berleburger Literaturpflaster widmet sich seit nunmehr neunzehn Jahren dem jeweiligen Schwerpunkt der Frankfurter Buchmesse.

Spätestens seit der Lesung des ungarischen Staatspräsidenten Árpád Göncz 1999 ist das Berleburger Literaturpflaster weit über die Region hinaus bekannt.


WESTFALENPOST (09.10.2012)
Internet: www.derwesten.de/staedte/bad-berleburg/
Bildquelle: WP-Fotos (2) von Christiane Sandkuhl (cs)

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