Bad Berleburg. Gabriele ist ein Frauenname. Künstler sind grundsätzlich Spätaufsteher. Zwei Annahmen, die ziemlich unumstößlich scheinen. Trotzdem wurden sie gerade auf dem Bad Berleburger Literaturpflaster widerlegt. Der 57-jährige Gabriele Clima ist ganz augenscheinlich ein Mann, was im Italienischen bei diesem Vornamen auch üblich ist.
Und der Mann, der sein Geld als Opernsänger und als Illustrator, als Herausgeber und als Schriftsteller verdient oder verdient hat, ist zweifelsohne ein Künstler. Dennoch war der Jugendbuchautor aus Mailand hellwach, wenn er morgens um Viertel vor acht mit seinen Lesungen begann.
Diese richteten sich an Jugendliche des Johannes-Althusius-Gymnasiums, der Ludwig-zu-Sayn-Wittgenstein-Schule und der Realschule Bad Berleburg. Siebt- bis Zehntklässler lernten den mehrfach ausgezeichneten Schriftsteller, dessen Werke in viele europäische Sprachen, aber auch auf Arabisch und Chinesisch übersetzt wurden, kennen.
Sein Werk „Der Sonne nach“ beleuchtet Dario und Andy: der eine emotional auffällig, der andere körperlich eingeschränkt, beide Außenseiter im düsteren Schulalltag. Zur Strafe muss sich Dario um Andy kümmern, was zu einer unerlaubten Reise in Italien führt. Kleine Episoden erhellen als funkelnde Mosaiksteine das ungewöhnliche Miteinander. „Der Geruch von Wut“ erzählt vom Dunkel um Alex, der nach einem Autounfall seiner Familie und einem achtwöchigen Koma danach verletzt als Halbwaise zurückbleibt, weil sein geliebter Vater beim Unfall stirbt. Sein Weg zurück ins Leben wird zum gewalttätigen Abstieg ins Verderben. Wichtig bei den neun Berleburger Lesungen an drei Tagen war Barbara Neeb, die nicht nur mit einer Kollegin die Bücher von Gabriele Clima ins Deutsche übersetzt hat, sondern in Wittgenstein auch die sprachliche Verbindung zwischen dem Autor und seinen insgesamt rund 250 jungen Zuhörerinnen und Zuhörern herstellte. Beide vorgestellten Bücher wurzeln in wahren Begebenheiten. Gabriele Clima erzählte den Schülerinnen und Schülern von den tatsächlichen Geschehnissen. Aber immer wieder sprach er auch davon, wie er seine eigene Lebensgeschichte und eigene Erfahrungen in die Romane einbaute.
Die Erinnerungen an sein eigenes Ausgegrenzt-Sein als junger Schüler und an seine wilde Zeit in einer Jugendgang, die ihrerseits ausgrenzte, flossen in die Lesungen ein. Am Ende verwies er auf die wichtige Rolle, die Literatur für ihn gespielt habe, Auswege aus schwierigen Lebenssituationen zu finden.
Bücher hätten zwar nicht die eine Anleitung, wie man ein gutes Leben führe. Aber Literatur liefere den Lesern Ideen und Fragen und vor allem die Worte, die alle Menschen zum Miteinander-Sprechen und zum eigenen Nachdenken unbedingt brauchten. Außerdem machten Worte stark – egal, wie groß man ist oder wie viele Muskeln man hat.
Erstaunt lernte Gabriele Clima in Bad Berleburg das Konzept der Streitschlichtung kennen, das es in allen drei weiterführenden Schulen gibt und bei dem ausgebildete Schülerinnen und Schüler es übernehmen, in Konfliktsituationen den Schulfrieden wieder herzustellen. Davon habe er in Italien noch nie gehört.