Am Anfang sollte es ein Happy End werden

Maurizio Fiorino gewährte auf dem Literaturpflaster Einblicke ins Persönliche und in eine bewusste Handlungs-Entscheidung

Bad Berleburg. Nein, schon wieder gab es kein Happy End auf dem Literaturpflaster. Am Dienstagabend wurde im Berleburger Opel-Autohaus Kroh das Glück ausgeknockt. Maurizio Fiorino, gerade 40 geworden, hatte seinen vierten Roman „K.O.“ mitgebracht, der erste, den es von ihm auf Deutsch gibt. Im Original heißt das Buch „Macello“, so nennt man im Italienischen einen Schlachthof. Der tragische Romanheld Biagio ist Metzgersohn, ist schwul, stammt aus dem unwirtlichen Kalabrien im Süden Italiens, alles genau wie beim Schriftsteller. Der hat sogar in Vorbereitung für das Buch selbst geboxt, eben wie Biagio. Seine Leidenschaft für diesen handgreiflichen Sport hatte Maurizio Fiorino schon vorm Roman ganz anders künstlerisch ausgelebt: als Fotograf von Boxern und ihren Kämpfen. Weil für ihn das Boxen wie das Leben sei, genauso brutal, genauso gefährlich und mit der Aufforderung, immer wieder aufzustehen, wenn man zu Boden gegangen ist. So erläuterte Maurizio Fiorino bei der Lesung in Bad Berleburg seine Faszination für den sportlichen Faustkampf.

Die Fotografie hatte den Schriftsteller bereits 2007, später auch 2018 in die Vereinigten Staaten von Amerika geführt, so kam die Veranstaltung diesmal ohne das Dolmetschen aus dem Italienischen aus. Auch wenn der Poet wegen des wunderbaren Klangs seiner Muttersprache ein Stückchen des Buchs im Original vorlas. Die übrigen Textstellen gab es für die 40 Zuhörenden von Otto Marburger aus dem Literaturpflaster-Team auf Deutsch. Ihre Fragen zu Autor und Werk stellte Rikarde Riedesel, Haupt-Organisatorin der Berleburger Veranstaltungsreihe, auf Englisch. Maurizio Fiorino gab ausführliche Antworten - und dabei tiefe Einblicke in seine Motivationen und Gedanken, sogar in schwierige Verwandtschafts-Verhältnisse. Familie sei eben sein Thema, sie ziehe sich wie ein roter Faden durch sein bisherigen Schriftsteller-Schaffen. „Für meinen Vater“ steht als Widmung im Roman „K.O.“. Das Buch erzählt die Geschichte eines dürren, hässlichen Jungen, der zuerst die Mutter, dann den Vater verliert, um dessen Zuneigung er verzweifelt, aber erfolglos gekämpft hat. Biagio opfert schließlich  ein kurz aufblitzendes Glück verlogenen, menschenfeindlichen Konventionen. Definitiv kein Happy End.

Doch diejenigen, die jetzt bei der Lesung in Bad Berleburg dabei waren, die erfuhren, dass Maurizio Fiorino in einem ersten Entwurf tatsächlich ein glückliches Ende für die Geschichte formuliert hatte. Und er erläuterte, wie er sich mit seinem Verleger dagegen entschieden habe, um eine wahrhaftige Geschichte über das tatsächliche Leben im ländlichen italienischen Süden zu schreiben. Dennoch war sich der Dichter zumindest vor acht Jahren in Bezug auf ein Happy End im echten Leben ganz sicher. Damals spielte er in einem Musik-Video des italienischen Superstars Marco Mengoni, Eurovisions-Teilnehmer in 2013 und 2023, mit und küsste einen Mann: Auch wenn die Szene im Film am Ende ziemlich kurz ausfiel, habe er in diesem Augenblick gewusst, eines Tages müssten sich Menschen nirgendwo mehr Gedanken machen, wer ihnen beim Küssen zuschaue. Denn die Liebe gewinne immer, sie besiege alle Widerstände.

Vielleicht ergibt sich ja auch auf dem Berleburger Literaturpflaster noch ein italienisches Happy End. Bis dahin gilt: Arrividerci auf dem Literaturpflaster.

Text: Jens Gesper

Wegen des wunderbaren Klangs seiner Muttersprache las Maurizio Fiorino ein Stückchen seines Romans „Macello“ im italienischen Original vor. (Foto: Jens Gesper)
Rikarde Riedesel hatte Einiges mitzuschreiben, sehr ausführlich beantwortete Maurizio Fiorino ihre Fragen - und gab dabei tiefe Einblicke in seine literarischen Motivationen und Gedanken, bei denen Familie stets eine wichtige Rolle spielt. (Foto: Jens Gesper)
Die deutschen Textstellen aus Maurizio Fiorinos Roman „K.O.“ las Otto Marburger (rechts) vom Literaturpflaster-Team. (Foto: Jens Gesper)
40 Besucherinnen und Besucher hatten ihren Weg ins Opel-Autohaus Kroh gefunden, wo die herbstlichen Literaturpflaster-Lesungen längst fest zum Jahresablauf gehören. (Foto: Jens Gesper)
Interessiert nahm Maurizio Fiorino aus den Händen von Rikarde Riedesel nach der Lesung, in deren Mittelpunkt sein Roman „K.O.“ stand, einen Literaturpflasterstein entgegen. (Foto: Jens Gesper)
Die begehrten Literaturpflastersteine wechseln gerade in hoher Geschwindigkeit ihre Besitzer in Bad Berleburg: Rikarde Riedesel (links) überreichte jetzt im örtlichen Opel-Autohaus auch einen Stein an Stella Kroh aus der Geschäftsleitung. (Foto: Jens Gesper)
Gern signierte Maurizio Fiorino für die Besucherinnen und Besucher des Berleburger Literaturpflasters seinen Roman „K.O.“. (Foto: Jens Gesper)
Ganz unkompliziert kamen Besucherinnen und Besucher des Berleburger Literaturpflasters auch nach der Lesung noch mit Maurizio Fiorino ins Gespräch. (Foto: Jens Gesper)
Gern signierte Maurizio Fiorino für die Besucherinnen und Besucher des Berleburger Literaturpflasters seinen Roman „K.O.“. (Foto: Jens Gesper)
Ganz unkompliziert kamen Besucherinnen und Besucher des Berleburger Literaturpflasters auch nach der Lesung noch mit Maurizio Fiorino ins Gespräch. (Foto: Jens Gesper)

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