Prof. Dr. Ralf Schnell nahm Gäste mit auf Reise durch finnische Bücherwelt

Literatur kann eine Droge sein. Von der Kalevala bis zu den Mumins reichte der informative Querschnitt.

Prof. Dr. Ralf Schnell nahm den Applaus vieler begeisterter Zuhörer entgegen, zu denen auch Rikarde Riedesel (stehend) zählte. (SZ-Foto: Franziska Henk)

Bad Berleburg. (fhe) Literatur als Droge – welcher Ort erscheint für diesen Vergleich passender, als eine Apotheke? Ein Mann, der sich einerseits bestens mit Literatur auskennt und auch die Metapher als sehr treffend bezeichnet, war gestern Gast des Bad Berleburger Literaturpflasters.

Schirmherr Prof. Dr. Ralf Schnell gab den Bad Berleburger Literaturfreunden die Ehre, um in der Kur Apotheke Wolter zahlreichen interessierten Menschen die Gegenwartsliteratur Finnlands näher zu bringen. Und er ging nur zu gern auf die von Karsten Wolter bezeichnete " umfunktionierte Literaturapotheke" und dessen Vergleich zwischen Methadon und Literatur ein: "Literatur kann sowohl Sedativum als auch Aufputschmittel sein", erklärte der aus Berlin angereiste Germanist und wusste am vergangenen Dienstagabend auch über einige Beispiele zu erzählen – natürlich mit reichlich Material aus dem finnischen Gastland. So begann er seinen Rundumschlag durch die finnische Literatur mit dem wohl wichtigsten Werk schlechthin: Das Kalevala. Jede Kultur und jedes Land habe sein eigenes Nationalepos, erklärte Ralf Schnell, "die Franzosen haben das Rolandslied, das "Poema del Cid" für Spanien und die Griechen haben Homers Ilias und Odyssee, Deutschland hat das Nibelungenlied und Finnland das Kalevala".

Zwar könne ein Nationalepos das jeweilige Land auf nur wenige Merkmale reduzieren, allerdings beherberge das Kalevala eine "großartige Vielfalt", die zahlreiche Motive wie Natur, Leidenschaft oder Zauber vereint. Das Besondere am Nationalepos der Finnen: Nahezu jedes Werk der heutigen finnischen Literatur zieht seine Fäden bis hin zum 1835 erschienenen Volksepos. Selbstverständlich gäbe es viele Modifikationen, Variationen und Neuerfindungen, räumt Schnell ein. Doch im Grunde genommen seien "alle Motive, Handlungsstränge oder Figuren im Prinzip bereits im Kalevala enthalten", vermittelte Ralf Schnell. Seine Reise durch die finnische Literatur, auf die er zahlreiche Literaturfreunde mitnahm, die teilweise sogar aus Siegen angereist waren, um Ralf Schnell zuzuhören, fing er mit dem Thema "Kampf und Krieg" an. Passend zu diesem Genre pries er den potentiellen Lesern Katja Kettus "Wildauge" und vor allem auch "Das Trugbild" von Kjell Westö an, der am Sonntag, 5. Oktober in der Rothaarklinik lesen wird. Katja Kettu ist am 12. Oktober ebenfalls zu Gast in Bad Berleburg.

"Erfahrung der Fremde" war die nächste vorgestellte Kategorie. So erlebt der Leser persönliche und soziale Abgründe in "Abteil Nr. 6" von Rosa Liksom, die am Montag, 6. Oktober nach Bad Berleburg kommen wird. "Die Autorin schreibt versiert, die Figuren sind keinesfalls eindimensional und könnten gegensätzlicher kaum sein", lobt Schnell Rosa Liksoms Werk: "Der Roman ist ein Kammerspiel".

Beim Thema "Verbrechen und Vergeltung" nahm Prof. Dr. Ralf Schnell Leena Lehtolainen zur Hand. "Sie erzählt realistisch, ohne dabei routiniert zu wirken" - und wo könnte ein Krimi besser erzählt werden als im Amtsgericht – dort liest die Autorin nämlich am 10. Oktober.

Ein ebenfalls bedeutender Teil der finnischen Literatur kommt der "Welt der Comics". "Die Mumins" der Malerin, Künstlerin und Autorin Tove Jansson sind nicht nur bei Kindern beliebt, sie "stellen einen potentiellen Spiegel der Spießbürgerlichkeit Finnlands dar" und auch hier zeigt Ralf Schnell auf: "Auch hier findet sich die Vielfalt wieder, die wir aus dem Kalevala kennen – nur in medialer, moderner Form".

Von Franziska Henk


Siegener Zeitung (02.10.2014)
Internet: www.siegener-zeitung.de
Bildquelle: SZ-Foto von Franziska Henk (fhe)

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