Bad Berleburg. Jan Costin Wagner spielt und liest, last but not least, stellte der deutsche Krimiautor im Berleburger Autohaus Kroh seinen Roman "Tage des letzten Schnees" vor. Es war die letzte Lesung des 21. Literaturpflasters.
Jan Costin Wagners Steckenpferd ist seit 22 Jahren Finnland. Als Student reiste er 1992 dort das erste Mal hin, genoss die Begegnungen und fährt immer wieder hin. Er fand dort auch die Liebe seine Lebens, die heute seine Ehefrau ist. Wenn die Begeisterung für das Land so enorm ist, warum nicht auch die Inhalte seiner literarischen Werke in Finnland ansiedeln, dachte sich der 42-Jährige.
Verlust und Verbrechen
Seit 1999 schreibt Jan Costin Wagner professionell, bevorzugt Kriminalromane. Von den sieben inzwischen veröffentlichen Werken, spielen fünf im finnischen Sprachraum. "Tage des letzten Schnees" ist der Roman einer Reihe, die sich um Kriminalkommissar Kimmo Joentaa ranken. In diesem Werk konzentriert sich Wagner gezielt auf die Form. Gerade das ist es, was die abermals große Zuhörerschaft so überaus neugierig macht. Den Auftakt macht er mit der Unfallgeschichte um den Architekten Lasse Egholm, dessen elfjährige Tochter Anna im Auto ums Leben kommt, nachdem er sie vom Eishockeytraining abgeholt hat.
Jan Costin Wagner macht immer wieder Sprünge, oft weit entfernt von Finnland, sogar bis nach Rumänien, um auf Einzelschicksale, gar Kriminelles zu zielen. Jede einzelne Episode ist in sich schlüssig und führt wie die Silberschnur zu Kommissar Joentaa, dessen eigener Verlust der Ehefrau vor Jahren, ebenfalls thematisiert wird.
Mosaikstruktur ist der Clou
Der Autor fokussiert ganz bewusst in jeder einzelnen Abhandlung die Stränge des Verlustes. Er lässt die Geschichte quasi einfach so entstehen, nimmt sich Zeit beim Verfassen seiner Romane, und weiß schließlich, wie seine Protagonisten mit Verlusten umgehen, ob sie aus Mord oder Unfall für sich persönlich einen Nutzen ziehen und ob in Phasen tiefster Depression ein Weiterleben sinnvoll ist. Für wen ist es ein Glück oder Unglück, für wen ist der Tod eines Menschen ausweglos und gibt es nach den schmerzlichen Einschnitten einen Neubeginn? Der Clou gerade im vorgestellten Roman: Die Szenen sind nicht nur wie ein Mosaik aufgebaut sind, sie finden auch wie bei einem Nabel zusammen und ziehen ihren Nährwert aus der Figur Kimmo Joentaa.
Jan Costin Wagner weiß auf melancholische Weise den Szenen eine Melodie zu geben. Er liest Abschnitte und geht zum Abschluss einer Szene an sein E-Piano, um die Bilder zu verinnerlichen und melodiös einen Film im Zuhörer laufen zu lassen. Die Figuren bekommen durch die weichen Melodien und sinnigen Akkorde Leben eingehaucht. Empathie ist für jeden einzelnen im Glaspavillion des Autohauses Kroh unabdingbar. Auch wenn Jan Costin Wagners Romaninhalt ausschließlich um den Tod kreisen, das Gros der Menschen mag es und sie mögen ihn, der sich selbst überaus sympathisch gibt. Er erzählt aus seinem Leben, sperrt sich nicht und dieses Wissen um die Person Wagner offenbart und erklärt, warum er so und nicht anders schreibt, warum seine Leidenschaft gerade auf dieser Schreibweise liegt und warum er immer viel Zeit zwischen den einzelnen Romanen benötigt.
Anregende Diskussionen
Viele Zuhörer haben sich bereits im Vorfeld der Lesung tiefe Einblicke in die Werke Wagners gegönnt, somit gelang es nach Lesungsende eine angeregte Diskussion in den Raum zu bringen, besonders um die Erkenntnis, dass die bisher erschienen Romane stets um das Thema Kälte und Dunkelheit kreisen – "Eismond", "Schattentag", "Im Winter der Löwen" oder "Das Licht in einem dunkeln Haus".
Von Christiane Sandkuhl
Musik, Film, Fotos und Spezialitäten
- Literaturpflasterfreunde können sich noch auf den finnischen Spezialitätenabend am heutigen Freitag freuen.
- Außerdem gibt es die Chorveranstaltung "Singsation meets Cantarelli" am morgigen Samstag in der Aula der Realschule.
- Im Capitol-Kino-Center läuft der Film "Der Mann ohne Vergangenheit" am Mittwoch, 29. Oktober.
- Die Multivisions-Show "Finnland – zwischen Mitsommer und Polarnacht" ist am Donnerstag, 30. Oktober, in der Aula des JAG zu sehen.