Autor und Regisseur Nummi aus Helsinki begeistert

Erste Lesung auf dem Literaturpflaster

Markus Nummi (rechts) zeigt ein ins Buch 'Am Anfang ein Garten' eingearbeitetes Foto des einstigen finnischen Staatspräsidenten Carl Gustaf Mannerheim, aufgenommen zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einer Missionsstation in Asien. (WP-Foto: Christiane Sandkuhl)

Bad Berleburg. Bereits zum sechsten Mal wandelten die Berleburger Literaturfreunde in der Spätsommer-Saison auf finnischen Pfaden. Finnland – in diesem Jahr Ehrengast der Frankfurter Buchmesse und damit auch Ehrengast auf dem 21. Bad Berleburger Literaturpflaster – hat den neugierigen Skandinavien-Fans nun schon einen Kochkurs, Vernissagen, Schullesungen und eine Märchenstunde beschert. Jetzt gab es den Einstieg in die Welt der Lesungen – mit „Am Anfang ein Garten“ von und mit Autor und Regisseur Markus Nummi aus Helsinki.

Volle Backstube

Zwischen Schneebesen, Teigknetern, Zuckerstreuern und Hefewürfeln fanden sich an ungewöhnlichem Ort, nämlich in der Backstube des Cafés Wahl, die Lesehungrigen ein. Bereits kurz nach Öffnung der Türen war die Backstube zum Bersten gefüllt – da bedurfte es keines geheizten Ofens, um Wärme in den Raum zu bringen. Nicht nur die Besucher der Lesungen freut es jedes Mal, hier zu sein – auch Familie Wahl sowie die Veranstaltergemeinschaft des Literaturpflasters ist glücklich über so großes Echo in Bad Berleburg.

Zehn Jahre Recherche

Markus Nummi kam übrigens nicht allein. Er brachte seinen deutschen Buchübersetzer Stefan Moster mit, der auch den Abend moderierte. Nach „Bonbontag“ übertrug Stefan Moster Anfang 2014 auch Nummis Roman „Am Anfang ein Garten“, der in Berleburg vorgestellt wurde, ins Deutsche. Insgesamt zehn Jahre hat der Autor am Material recherchiert, eine Sisyphos-Arbeit, gibt der 55-jährige Nummi zu. In insgesamt fünf Jahren Schreibarbeit kam ein über 500 Seiten starker Band zustande, der von Liebe, Verlusten, Freundschaft, Religionen und Kindheit erzählt – modern und politisch.

In diesem Roman schaut Nummi nach Asien, genauer nach Chinesisch-Turkestan. Der erwachsene Mann Kamil und die sechsjährige Nora befinden sich mit einer Karawane auf der Flucht. Es ist Krieg und niemand weiß, ob sie von der Stadt Kashgar jemals den Süden erreichen werden. Kamil hat eine besondere Verbindung zu dem kleinen Mädchen aufgebaut und erzählt während des beschwerlichen Weges aus seinem eigenen bewegten Leben, seiner Liebe Rahila, die er bereits 1903 als Kind in einer Missionsstation fand.

Zeitlose Geschichte

Nummi lässt hier das Mannigfache der Kulturen Europas, der schwedischen christlichen Missionare genauso einfließen wie die Welt des Islam, die raue Bergwelt und den unwirtlichen Teil Asiens durch den sie sich bewegen (müssen). Er hat mit dieser Erzählung eine zeitlose Geschichte geschaffen, die sicher gerade heute wieder die Realität authentisch tangiert – Flucht, Ungewissheit sowie der Strohhalm Liebe und Zuneigung, an dem sich die Protagonisten festhalten.

Markus Nummis Werke sind immer unterschiedlich gearbeitet. Er hält weder an bestimmter Erzählzeit fest, noch ist er fixiert auf gewisse erzählte Zeit in der Form. Sein Roman „Bonbontag“ wird gern im Zusammenhang mit Arundhati Roys „Der Gott der kleinen Dinge“, gesehen, ein Roman der während des Literaturpflasters 2006 „Indien“ in Berleburg vorgestellt wurde. Mit Blick auf „Am Anfang ein Garten“ ist er „stark erblich vorbelastet“ und weiß um die Tätigkeit in Missionsstationen. Seine Großeltern waren in China als Missionare tätig. Zudem hat der Autor selbst im Jahr 2000 lange im Gebiet der Turkmenen zugebracht und somit eine Menge über Schicksale, Lebensart und Kultur der Menschen dieses Teils Asiens kennengelernt. „Am Anfang ein Garten“ - der Titel allein macht wissbegierig, die Lesung hat die gut 100 Menschen in der Backstube fasziniert und animierte zum Kauf der Lektüre direkt vor Ort.

Finnisches Gehirn

Auf die Frage aus dem Auditorium „Wie lerne ich am schnellsten Finnisch?“ wusste Übersetzer Stefan Moster spontan und keck zu antworten: „Lassen Sie sich Ihr Gehirn amputieren und das eines Finnen einsetzen.“ Aussage genug, um zu wissen: Die Sprache ist mild ausgedrückt für Nicht-Finnen eine monumentale Lernaufgabe. Zum Schluss gab es für Autor, Moderator und Gastgeber-Familie Wahl traditionell keine Blumen, sondern den begehrten Literatur-Pflasterstein, derer Andreas Wahl nun schon fünf sein Eigen nennen darf.

Von Christiane Sandkuhl

Zwei Romane auf Deutsch erhältlich

  • Die sechste Veranstaltung im Rahmen des 21. Bad Berleburger Literaturpflasters war zugleich die erste offizielle Buchlesung.
  • Der finnische Autor Markus Nummi (55) las in der Backstube des Café Wahl aus seinem Werk „Am Anfang ein Garten“.
  • Der Roman ist der zweite des Finnen, der von Stefan Moster nach „Bonbontag“ ins Deutsche übersetzt wurde.
  • Markus Nummi ist nominiert für den Literaturpreis des Nordischen Rates 2014.
  • Gut 100 Literaturpflaster-Fans fanden sich in der Backstube ein.

WESTFALENPOST (18.09.2014)
Internet: www.derwesten.de/staedte/bad-berleburg/
Bildquelle: WP-Foto von Christiane Sandkuhl

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