Bad Berleburg. (bea) Wenn sich während des Bad Berleburger Literaturpflasters von Veranstaltung zu Veranstaltung, sei es Vernissage, Kochkurs oder Dia-Schau, eine jeweils neue Facette des Gastlandes der Frankfurter Buchmesse in der Odebornstadt auftut, so gibt es seit nunmehr fünf Jahren immer auch den Moment, wenn die Bad Laaspherin Katja Heinzelmann mit nichts als einem Mikrofon ausgestattet vor das heimische Publikum tritt und erzählt. So geschehen am Donnerstagabend im Altenzentrum Haus am Sähling unter der Überschrift "Märchen aus Finnland", für die Wittgensteins berühmteste Erzählerin nicht erst mit Lesebrille im Schaukelstuhl Platz nahm, sondern den Blick ins reichliche Publikum richtete und ohne Umwege begann.
Von ärmlichen Bauern auf kargen nordischen Äckern tat sie kund, von Wolfsrudeln, die sich des Nachts zu Menschen verwandeln, von Wasserschlössern und verlassenen Köhlerhütten, von boshaften Kaisern und schönen Töchtern. Manchmal fühlte sich der Zuhörer mit den Figuren, Dilemmata und Handlungen an die eigenen Erfahrungen mit den Märchen der Gebrüder Grimm erinnert.
Und das komme nicht von ungefähr: Bei bestimmten Märchen seien die Parallelen so groß, dass nicht abzugrenzen sei, ob es sich lediglich um regional angepasste archetypische Erzählungen handele oder die Märchen tatsächlich original finnischen oder baltischen Ursprungs seien, so erläuterte Katja Heinzelmann. Doch neben bekannten Helden und geläufigen Bildern von "gut" und "böse" tat sich auf den zweiten Blick viel Charakteristisches der finnischen Kultur auf. Davon zeugte schon die knappe, wenig beschreibende Sprache, mit der Heinzelmann vortrug.
In den kurzen Erzählungen avancierten oft besondere Gegenstände zu zentralen Figuren. Da baute ein Dudelsack Schlösser oder die sogenannte "Kantele", ein der Zither ähnliches Nationalinstrument Finnlands und Estlands, erwachte zum Leben und spielte von selbst. Hier machte Katja Heinzelmann einen Exkurs in das "Kalevala", den finnischen Nationalepos, das der Schriftsteller Elias Lönnrot im 19. Jahrhundert zusammenstellte. Demnach fertigte ein Zaubersänger das Instrument aus dem Zahn eines gigantischen Hechts und ergriff alle Tiere und Menschen mit seinen Melodien. Sechs Märchen brachte Katja Heinzelmann im Altenzentrum am Sähling zu Gehör. Einige seien nicht nur in Finnland, sondern auch in den baltischen Staaten geläufig. "Gerade die estnische Sprache ist dem Finnischen sehr ähnlich", erklärte sie.
Schließlich nahm Katja Heinzelmann nach langem Applaus ihren fünften Literaturpflasterstein entgegen. Kustodin Rikarde Riedesel freute sich sehr über die abermalige Zusammenarbeit: "Es macht einen großen Unterschied, ob man ein Märchen einfach vorliest oder es vorträgt", traf sie den Nagel auf den Kopf. Auch Edith Aderhold, Leiterin im Haus am Sähling, bedankte sich für einen weiteren Literaturpflasterstein und stellt den Saal des Altenzentrums gerne weiterhin für die Veranstaltungsreihe zur Verfügung.
Von Beatrix Achinger