Kjell Westö liest zwei Tage vor der Frankfurter Buchmesse beim Berleburger Literaturpflaster

Ein grosser europäischer Erzähler zu Gast

Ein Hand-in-Hand arbeitendes Dreiergespann stellte Kjell Westös 'Das Trugbild' in der Bad Berleburger Odebornklinik vor, von links Übersetzer Paul Berf, Autor Kjell Westö und Christoph Haupt von der Kulturgemeinde. (WP-Foto: Christiane Sandkuhl)

Bad Berleburg. Zwei Tage vor Start der Frankfurter Buchmesse war für den bekannten Schwedisch-finnischen Autor und Journalisten Kjell Westö der Besuch inklusive Lesung im Residenzstädtchen Berleburg angesagt. Mit großer Spannung wurde der 53-Jährige mit seinem deutschen Übersetzer Paul Berf in der Cafeteria der Odebornklinik von zahlreichen Literaturhungrigen und vom stellvertretenden Vorsitzenden der Kulturgemeinde Bad Berleburg, Christoph Haupt, erwartet.

Sechs Bücher auf Deutsch

Kjell Westö wurde in Helsinki geboren, ist Sohn einer schwedisch-sprachigen finnischen Familie. Er ist erstes Kind der Familie, die sich quasi erst einmal ihren neuen Sprachraum im Finnischen erobern musste. In der Regel ist Kjell Westö in seiner Muttersprache tätig, schreibt natürlich auch auf Finnisch. In Berleburg stellte er sein Werk "Das Trugbild" vor. Insgesamt sechs seiner Bücher wurden ins Deutsche übersetzt – "Das Trugbild" sogar in zehn andere Sprachen. Das spricht für den Autor, für seine Beliebtheit im In- und Ausland und sicher auch für die sehr hohe Qualität seiner Literatur. Dies kann auch sein Übersetzer Paul Berf bezeugen. Der gewiefte Mann übersetzte große Namen wie Henning Mankell und Selma Lagerlöf ins Deutsche. Paul Berf zitiert ein wenig schmunzelnd den Satz innerhalb eines Artikels, jüngst erschienen in der "Neuen Züricher Zeitung", der Kjell Westö als "großen europäischen Erzähler" bezeichnet.

Das ist er zweifelsohne auch, doch Westö erzählt nicht nur, er vermittelt Historie, Landeskunde aus den dunkelsten Kapiteln des einst gespaltenen Landes, das im vergangenen Jahrhundert noch so hin- und hergerissen wurde zwischen den Nachbarstaaten Schweden und Russland. Authentisch flicht er Schicksale von Menschen in Geschichte und Geschichten und gibt den beiden Weltkriegen und dem Bürgerkrieg von 1918 Gesichter und Namen.

Gräueltaten lassen nicht los

"Das Trugbild" gibt sicher nur eine Episode, eine sehr kleine, wieder, die zeigt wie geheimnisvoll und schrecklich Kriegshandlungen und Nebenschauplätze Menschen in ihren Bann ziehen und sie auch Jahrzehnte nach Beendigung von Gräueltaten noch beschäftigen und deren Leben beeinflussen.

Claes Thune ist Rechtsanwalt, seine Mitarbeiterin Matilda Wiik für ihn bisher eine gute Sekretärin gewesen, von der er jedoch nicht sehr viel erfuhr. Ein Mittagessen, das Matilda sich und ihrem Chef in den Büroräumen zubereitet,bringt einiges über ihren Werdegang ans Tageslicht. Dennoch stellt die Unterhaltung Claes Thune nicht sehr zufrieden, hätte er doch gern noch viel mehr über die Frau in seiner Kanzlei erfahren, obwohl zwischen ihnen eigentlich eine Kluft liegt, standesmäßig. Zu mehr schweigt Matilda, sie mag wohl nicht über das "Dunkle" aus ihrer Jugend sprechen oder kann es auch nicht - die Frage lassen Moderator Berf, Autor Kjell Westö und Leser Christoph Haupt offen.

Kjell Westö gibt preis, dass eine Vielzahl seiner Romanfiguren authentische Personen sind, teils sogar Berühmtheiten und deren Schicksale, die er aufgreift und an sie anknüpft. Westö sieht jeden Menschen als Mirakel. Seine Rückschauen auf die Kriegserlebnisse zeigen, dass auch ein Mensch, der solche Wirren nicht erlebt hat und lediglich aus der Historie schöpfen kann, in seinem Fach Genialität an den Tag legen kann. Westö wurde in seiner Heimat mit dem Kulturpreis der Stadt Helsinki ausgezeichnet und steht derzeit noch auf der Kandidatenliste für den "Preis des Nordischen Rates", der Ende Oktober verliehen wird.

Von Christiane Sandkuhl


Zweiter Autor mit Nominierung

  • Kjell Westö ist in Bad Berleburg der zweite finnische Autor nach Markus Nummi, der für den "Preis des Nordischen Rates" nominiert worden ist.
  • In der Odeborn-Klinik las er aus "Das Trugbild", das außer ins Deutsche in zehn weitere Sprachen übersetzt wurde.
  • Sechs seiner Werke erschienen bisher in deutscher Sprache.

WESTFALENPOST (07.10.2014)
Internet: www.derwesten.de/staedte/bad-berleburg/
Bildquelle: WP-Foto von Christiane Sandkuhl

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