Flusskrebse und Saunawurst

Kochkurs des Literaturpflasters brachte die eher derbe finnische Küche näher
Nur allzu gerne hätte Hans-Christian Radenbach in dem Kurs mit Elch- oder Rentierfleisch gearbeitet – das ist aber sehr teuer.

Die Plätze im Kochkurs des Bad Berleburger Literaturpflasters waren wieder sehr begehrt, auch wenn die Speisen diesmal weniger exotisch ausfielen. (SZ-Foto: Björn Weyand)
Hans-Christian Radenbach zeigte, wie der Darm eines Flusskrebses entfernt wird. (SZ-Foto: Björn Weyand)

Bad Berleburg. (bw) "Ich würde ja ,Guten Appetit’ auf Finnisch wünschen – ich weiß aber nicht wie", offenbarte Kursleiter Hans-Christian Radenbach vorgestern Abend, als die Teilnehmer des Kochkurses im Rahmen des Bad Berleburger Literaturpflasters sich die zuvor zubereitete Vorspeise munden ließen: Flusskrebse im Dillsud mit Sauce Lidingoe. Dass der Küchenmeister, der seit vielen Jahren die Ausbildung der Köche am Berufskolleg Wittgenstein leitet, nicht auch noch die Sprache im Vorfeld gelernt hatte, fiel aber nicht ins Gewicht – es sollte ja um finnische Speisen gehen. Und in die Küche des skandinavischen Landes, das in diesem Jahr das Gastland der Buchmesse und damit auch des Berleburger Literaturpflasters ist, führte Hans-Christian Radenbach sehr gekonnt ein.

Vorweg: Finnen essen gerne derb und herzhaft. "Sie verarbeiten in ihren Gerichten viel Senf und Ketchup", berichtete der Küchenmeister, der zum ersten Mal diesen beliebten Kochkurs des Literaturpflasters leitete. So gehörte schon in der Vorspeise in die Sauce neben Dill, Honig, Salz, Pfeffer und saurer Sahne auch Senf. Der Dipp war allerdings nicht das Problem, sondern vielmehr die Verarbeitung der Flusskrebse – schließlich hatten nicht alle der 14 Teilnehmer schon einmal die kleinen Krustentiere verarbeitet. Eine große Schale hatte Hans-Christian Radenbach für den Kochkurs besorgt, etwa 120 Stück. Ganz frisch: "Heute Morgen haben sie noch gelebt", betonte der erfahrene Koch, der bisher auch nur einmal finnische Gerichte gekocht hat. Nur wenig von den Flusskrebsen ist auch essbar und an das Fleisch zu kommen, ist nicht ganz einfach. Da hieß es für die Hobbyköche, kräftig zu pulen und an der richtigen Stelle aufzuschneiden, um den Darm zu entfernen. Während die einen Gruppen dies wie die Finnen am Tisch machten, erledigten dies andere Gruppen lieber in der Küche. Einige Teilnehmer hatten sich eine Flasche Wein mitgebracht und ließen sich den zu den Flusskrebsen schmecken. "Dabei wäre Bier eigentlich typisch Finnisch", merkte Hans-Christian Radenbach an.

Neben Filet Stroganoff gab es auch Saunawurst, gefüllt mit Käse und Tomaten. (SZ-Foto: Björn Weyand)

So lecker die Flusskrebse gewesen sein mögen, wenn auch nicht für alle Geschmäcker, so wenig machten sie auch satt. Deshalb galt es nun, wieder etwas zu tun fürs Essen. Der Hauptgang wartete und nur zu gerne hätte Hans-Christian Radenbach ein Gericht mit Elch- oder mit Rentierfleisch zubereiten lassen – echt Finnisch eben. Allerdings hätte dies den finanziellen Rahmen des Abends gesprengt. Es gebe lediglich eine Firma, die dieses Fleisch importiert. Entsprechend "exklusiv" ist der Preis: Ein Kilogramm Rentierrücken kostet exakt 64 Euro, plus Steuer. Wer sich den Luxus nach dem Kochkurs gönnen möchte, wird in Marburg fündig, wie ein Teilnehmer am Dienstagabend verriet: Dort gebe es nämlich ein finnisches Restaurant.

Neben reichlich Fleisch wird in Finnland auch viel Fisch gegessen. Doch nach den Flusskrebsen zur Vorspeise sollte es im Hauptgericht kein Fisch geben – dafür aber eine typisch Wittgensteiner Spezialität: Fleischwurst. Die wird jedoch in Finnland als Saunawurst bezeichnet und auch nicht einfach so gegessen. Die Finnen bereiten ihre Saunawurst zu, indem sie Taschen reinschneiden und die Wurst dann zum Beispiel mit Käse und Tomaten füllen. Oben drauf kommt, wie sollte es auch anders sein, Senf und Ketchup. Das Ganze kommt dann in den Ofen. Beim Hauptgericht gaben die Kursteilnehmer aber richtig Gas, wie es Hans-Christian Radenbach vorher schon angekündigt hatte. Denn neben der Saunawurst bereiteten sie zusätzlich noch ein Filetgulasch Stroganoff zu, da die finnische Küche nah an der russischen ist. Und nicht zuletzt kamen Frikadellen in die Pfannen – allerdings angereichert mit rote Beete und Kartoffeln. Die tollen Knollen seien in der finnischen Küche wichtig, erläuterte Hans-Christian Radenbach. Da gebe es in Finnland als Beilage vor allem Kartoffelpüree, Kartoffelpüree und ... Kartoffelpüree, na klar.

Bei so vielen Gerichten kamen die Teilnehmer in der heißen Küche mächtig ins Schwitzen. Doris Kassel aus Richstein gehört zu den Stammgästen beim Kochkurs des Literaturpflasters. "Es ist schön, immer wieder etwas Neues zu erleben", sagte sie im SZ-Gespräch, "irgendetwas bleibt davon immer hängen." Das ist auch die Motivation von Jost Mischkowski. Der Siegener nahm auch zum wiederholten Male an dem Kochkurs teil. Neben den Tricks und Kniffen, die er sich bei einem Profikoch gerne abschaut, ist es auch die Gesellschaft, die er schätzt: "Über das gemeinsame Kochen lernt man immer neue Leute kennen."

Und natürlich auch beim gemeinsamen Genießen nach der Zubereitung. Nachdem der Hauptgang schließlich verzehrt wurde, stand noch der Nachtisch auf dem Menü – ein Blaubeerpfannkuchen. Freilich mögen es die Finnen nicht ganz so süß, wie Hans-Christian Radenbach klarstellte. Von seiner Seite war es eine gelungene Premiere beim Literaturpflaster. Und bei dem einen, nur ganz kleinen Makel mit "Guten Appetit" auf Finnisch springt ihm die Siegener Zeitung gerne bei: Hyvää ruokahalua! Nur gut, dass wir es schreiben dürfen und nicht aussprechen müssen ...

Von Björn Weyand


Siegener Zeitung (11.09.2014)
Internet: www.siegener-zeitung.de
Bildquelle: SZ-Fotos (3) von Björn Weyand (bw)

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