Katja Heinzelmann trug jetzt in der Stadtbücherei argentinische Märchen vor
Geheimnis der Mondkönigin
Der Auftakt zum Literaturpflaster kam beim Publikum sehr gut an.
Bad Berleburg. (vg) Ein zartes Himmelsmädchen, ein seltenes Hirschvolk, musizierende Vögel, magische Steine und eine grauenvolle Todesgöttin zogen am Dienstagabend eine interessierte Zuhörerschaft in den Räumen der Stadtbücherei Bad Berleburg in ihren Bann. Unter der Überschrift "Argentinische Märchen - Märchen lassen Kulturen aufleben", hatte das diesjährige Literaturpflaster "Argentinien" mit der Bad Laaspher Märchenerzählerin Katja Heinzelmann einen gebührenden Auftakt gefunden. Katja Heinzelmann nahm ihr Publikum dabei mit in die faszinierenden Landschaften Südamerikas und trug einige ausgewählte Märchen verschiedener Indianer-Stämme in freier Rede vor.
Dabei machte sie eines von vorn herein klar: Der überwiegende Teil der Märchen und Geschichten der Indios seien überaus brutal und gewalttätig - "und viele haben mich wegen ihrer Grausamkeit erschreckt". Zwar seien die Helden aus Grimms' Märchen auch nicht immer vor schlimmen Begegnungen und drohenden Gefahren gefeit - die Härte und Erbarmungslosigkeit der Märchen Südamerikas hingegen stelle die Empfindung eines Europäers immer wieder aufs Neue auf die Probe. "Da wird ein abgeschlagener Kopf plötzlich zum Mond und Leichen verwandeln sich zu Sternen."
Das habe ihr die Auswahl für den Vortrags-Abend in der Stadtbücherei natürlich nicht gerade leicht gemacht. Letztlich aber habe sie sich weiter in die Materie eingearbeitet und mit der hervorragenden Unterstützung von Monika Klaffki von der Buchhandlung MankelMuth in Bad Berleburg schließlich doch ein paar sehr interessante und äußerst spannende Geschichten aufgetrieben.
In ihrem Vortrag entführte die Erzählerin ihre Gäste schließlich zu den Hütten der aufrecht gehenden Anden-Hirsche und dem unglücklichen Himmelsmädchen Tinibah, begleitete den listigen Vogelmenschen Guru bei seiner Brautschau und erlebte den Kampf der Mondgöttin mit ihren menschlichen Widersacherinnen um die Gunst des Kriegers Uaruku hautnah mit.
Dabei schlüpfte Katja Heinzelmann immer wieder in die Rolle der unterschiedlichsten Märchenfiguren, beschrieb, schürte die Spannung und suchte den Blick mit dem Publikum. Von Augenblick zu Augenblick, so schien es bald, ging es immer turbulenter in den Geschichten zu. Plötzlich fanden sich die Zuhörer in der atemberaubenden Schlacht von Vögeln und Insekten um den schillernden Regenbogen wieder oder wurden Zeuge des furchterregenden Angriffs der Todesgöttin auf die Menschen. Aber es durfte auch geschmunzelt werden, beispielsweise bei der Szene, in der sich das Himmelsmädchen Tinnibah einen Anden-Hirsch zum Bräutigam ausguckt oder bei der ein musikalischer Kondor mit verführerischem Flötenspiel jungen Damen nachsetzt.
Bilder- und listenreich schloss sich auch das Märchen von dem alten, armen Ehepaar an, dem der Himmel ein paar Wünsche gewähren will, solange diese nicht zu ausschweifend und maßlos sind.
Das Publikum staunte an diesem Abend auch über verwandelte Wale, verzauberte Frösche, einen Baum, der in den Himmel wächst, magische Steine und Ketten, einen Schlangenzauber und das ewige Ringen der Götter und Geister mit den menschlichen Bewohnern der Erde. Bei allem kam es Katja Heinzelmann darauf an, die Geschichten in einer bestimmten Reihenfolge zu erzählen. Angefangen von einer indianischen Schöpfungsgeschichte, schlossen sich bald ein Märchen über das Zeitalter der Jugend, eine Geschichte über das Erwachsen-Sein, des Alters und des Sterbens an.
Und am Ende wussten alle Anwesenden, welches Geheimnis sich letztlich hinter der seltsamen Mondgöttin verbirgt und wer in Wirklichkeit hinter den großen, grünen Fröschen und den anmutigen Walen steckt. Die Zuhörer, darunter auch einige Jungen und Mädchen, hatten jedenfalls großen Spaß und genossen die kurzen und langen, lustigen und spannenden Geschichten und spendeten am Ende einen begeisterten Applaus.
Monika Klaffki überreichte Katja Heinzelmann daraufhin einen Literatur-Pflasterstein und beglückwünschte die Märchenerzählerin zu ihrem Vortrag. Durch diesen Abend habe man einen ganz besonderen Zugang zu der Kultur Argentiniens erhalten. "Und es ist erstaunlich, wie diese Märchen in freier Rede überhaupt wirken." Einen zweiten Literatur-Pflasterstein nahm Büchereileiterin Gaby Klotz dankend entgegen. Sie freute sich nicht zuletzt mit Kustodin und Organisatorin des Berleburger Literaturpflasters, Rikarde Riedesel, dass der erste Vortrag in den neuen Bücherei-Räumen so gut von dem Publikum angenommen wurde.
Von Dr. Volker Gastreich