Claudia Piñeiro las vor ausverkauftem Haus
im Hotel "Alte Schule"

Zwischen Schein und Sein - nicht nur in Argentinien

Nach einer unterhaltsamen Lesung aus ihren derzeitig drei Romanen, war Claudia Piñeiro (r.) mit Übersetzerin Kirsten Brandt (l.) gefragte Gesprächspartnerin. (WP-Foto: Christiane Weinhold)
Die Übersetzerin und Lektorin des Unionsverlages (l.), Kirsten Brandt, begleitet die Autorin Claudia Piñeiro (r.) während ihrer Lesereise durch Deutschland. (WP-Foto: Christiane Weinhold)

Bad Berleburg. (cw) Wie verwegen doch manche Frauen schreiben. Was mag wohl in den Köpfen solcher Geschöpfe vorgehen? Claudia Piñeiro, 1960 in Buenos Aires geboren, hat während ihres Wirtschaftsstudiums an ganz andere Dinge gedacht, als an die Schriftstellerei. Doch, wie heißt es so schön? Der Mensch weiß nie, wohin die Reise geht.

Während eines Fluges nach Brasilien blätterte die Autorin in einem Fachblatt und stieß auf eine Annonce mit der Werbung um ein schriftstellerisches Preisausschreiben. "Das ist es", dachte sich Claudia Piñeiro damals, setzte sich mit dem entsprechenden Verlag in Verbindung, wurde in Kenntnis gesetzt, dass ein erotischer Roman gewünscht war und anstatt lange nachzudenken, machte sie sich ans Werk und landete tatsächlich unter den ersten zehn Gewinnern. "Mir liegt das Schreiben, ich mache weiter, es muss ja nicht immer Erotisches dabei herauskommen", lachte die Schriftstellerin in die aufmerksame Publikumsrunde des voll besetzten Hotels "Alte Schule" in Berleburg.

Die Übersetzerin und Lektorin des Unionsverlages, Kirsten Brandt, begleitet die Autorin während ihrer Lesereise durch Deutschland, die sie auch zur heute beginnenden Frankfurter Buchmesse führt.

Ihren Weg zum Shooting Star der argentinischen Literatur bahnte sich Frau Piñeiro selbst, zunächst als Journalistin, Kinder- und Jugendbuchschriftstellerin und als Drehbuchautorin. Mit ihrem Roman-Erstlingswerk "Ganz die Deine" (2003) landete sie sofort an vorderster Front in ihrem Heimatland. Die Folgeromane "Die Donnerstagswitwen" (2005) und "Elena weiß Bescheid" ließen nicht lang auf sich warten.

Die drei Bücher unterscheiden sich inhaltlich sehr stark voneinander. Eines ist Claudia Piñeiro jedoch in die Wiege gelegt und das behält sie, wie sie selbst sagt, auch künftig in all ihren Werken bei: die Offenlegung von Heuchelei und Lüge in der Gesellschaft. Sie gruppiert ihre Erzählungen stets in die Ober- und Mittelschicht der argentinischen Gesellschaft.

"Ganz die Deine" beschreibt eine vermeintlich funktionierende Ehe, bis Inés, die Gemahlin von Ernesto, ihre Vermutung bestätigt findet: ihr Mann betrügt sie. Bei einer Nacht- und Nebelaktion folgt sie ihm in ein Waldstück des gesellschaftlichen Wohnviertels, des Country, wird dort Zeugin eines Streits zwischen Ernesto und seiner geliebten Sekretärin, und wie dies urplötzlich mit einem tödlichen Sturz der Sekretärin nach Ernestos Schubs endet. Er versenkt die Leiche in einem Gewässer. Inés verschafft ihrem undankbaren Gemahl ein Alibi, der jedoch alles andere tut, als den reuevollen Ehemann zu verkörpern. Die Affären setzt er fort und die Maschinerie des Rachefeldzuges Inés' setzt sich in Bewegung ...

Mit den "Donnerstagswitwen" trifft die Bestsellerautorin in Berleburg voll ins Schwarze. Ihre Detailbesessenheit im Aufbau des Romans zeugt von penibelster Vorbereitung auf das Werk. Natürlich gibt es hier auch Tote. Drei Männer, seit Jahren befreundet, sterben im gutsituierten und völlig gesicherten Eliteviertel vor Buenos Aires, nach ihrem Donnerstags-Gelage, in einem Swimmingpool. Wie sich nach Recherchen herausstellt, durch einen Stromschlag.

Die Autorin gibt zu. "Ich habe vorher meinen Elektriker angerufen und ihn um fachmännischen Rat gebeten, wie ich drei Menschen im Pool mit Stromschlag sterben lassen kann, ohne dass eine Sicherung fliegt. Sie hätten sich das Gesicht des Mannes mal anschauen müssen, er glaubte vermutlich im ersten Moment, ich plante ein Verbrechen." Aufklärung tat hier ganz schnell Not.

Der schöne Schein der feinen argentinischen Gesellschaft wird auch hier schnell gelüftet und dem Leser zeigt sich, welch Makel unter der glänzenden Oberfläche erkennbar wird. Doch Hand aufs Herz? Ist das wirklich nur in Argentinien so? Überall auf dem Globus gibt es den schönen Schein mit "eleganter" Heuchelei und "wohlverpacktem" Lug und Trug.

Claudia Piñeiro berührt die Junta von 1976 bis 1983 nur am Rande und kümmert sich intensiv um die dunklen Machenschaften der feinen Leute. Es macht ihr sichtlich Spaß, die Boshaftigkeit offenzulegen und hat sich um die Preise "Premio Planeta" (2003) und "Premio Clarín" (2005) wohlverdient gemacht.

Von Christiane Weinhold


WESTFALENPOST (06.10.2010)
Internet: www.derwesten.de/staedte/bad-berleburg/
Bildquelle: WP-Fotos (2) von Christiane Weinhold (cw)

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