Mate-Tee zur Einführung
in Argentiniens Literaturgeschichte

Veranstaltergemeinschaft lädt im Vorfeld
des Literaturpflasters in die Kur-Apotheke

Jutta Nickel ist seit 1980 Insiderin in Sachen Argentinien, lebt und arbeitet in Buenos Aires und vermittelte nun ein realistisches Bild des südamerikanischen Landes. (WP-Foto: Christiane Weinhold)
Karsten Wolter, Inhaber der Kur-Apotheke, bedankt sich bei Kustodin Rikarde Riedesel für ihr unermüdliches Engagement in Sachen 'Berleburger Literaturpflaster' mit einen Blumenstrauß. (WP-Foto: Christiane Weinhold)

Bad Berleburg. (cw) Zwischen Wärmflasche und Kopfschmerztabletten, vom Heftpflaster zum traditionellen argentinischen Nationalgetränk Mate-Tee: Die Veranstaltergemeinschaft des 17. Bad Berleburger "Literaturpflasters" lud in die Kur-Apotheke ein.

Die allumfassende Begrüßung hielt die Kustodin der Stadt Bad Berleburg, Rikarde Riedesel. Die literarische Entdeckungsreise ganz vom Ende der Welt begann bereits in der vergangenen Woche und setzte sich nun mit der Einführung in die Literatur des Gastlandes der diesjährigen Frankfurter Buchmesse an der Odeborn fort.

Jutta Nickel lebt seit 1980 in Argentinien und lernte am Rio de la Plata Land und Leute, die Hintergründe der Literatur und Politik in einer nur 200-jährigen Landesgeschichte aus dem Eff-Eff kennen. Die Arbeit in der deutschen Botschaft in Buenos Aires gibt ihr eine Menge Erkundungsmöglichkeiten über die Eigenarten der argentinischen Bevölkerung. Ihr liegt es nahe, ihre Begeisterung für ihren Lebensraum und ihren Mittelpunkt weiterzutragen und es dem lesehungrigen Berleburger schmackhaft zu machen.

Ganz fremd sind der gebürtigen Backnangerin das Wittgensteiner Land und die Menschen hier nicht. Ihre Tochter Daniela lebt seit geraumer Zeit im "Ländchen", und daher ist der Besuch der Mutter besonders 2010 mit Aktualität versehen.

Mit einer Urbevölkerung vergleichbar mit vielen anderen Staaten der Erde kann das südamerikanische Land natürlich nicht wuchern. Es war ein Deutscher, Ulrich Schmidl (1510-1580), der eine ausführliche Chronik über die Urbevölkerung im 16. Jahrhundert verfasste und sich über die Menschen intensiv damals vor Ort kundig machte. 1810 dann kamen die ersten Einwanderer hier her.

Viele Menschen strömten quasi aus Spanien, und fast allen Teilen Europas, meist aus politischer Verfolgung, Bedrohung und Unverstandensein in den Heimatländern, nach Südamerika. So kam es, dass heutzutage nahezu jeder Argentinier einen ausländischen, europäischen Großvater hat, ob nun aus Frankreich, Deutschland, Polen, Russland oder Italien.

Argentinien bietet aufgrund seiner geografischen Lage eine hochinteressante Grundlage für Literatur der unterschiedlichsten Couleur. Neben uriger Gaucho-Literatur, raubeinigen Erzählungen und romantischen Anwandlungen unbekannterer Autoren, hat sich eine recht große Runde politischer Poeten und Denker sowie Denkerinnen in der Historie etabliert.

Zunächst einmal kam nur die männliche Spezies zu Wort und Schrift. Menschen wie Julio Cortázar (1914-1984), Ernesto Sábato (* 1911) oder Jorge Luis Borges (1899-1986) machten sich weltweit mit Schriften über Sozialismus, Existenzielles und Phantastisches einen Namen. Reflektionen über die eigene Identität wurden durch den polnisch-italienisch-stämmigen Autor Robert Arlt und literarische Essays der Schwestern Victoria und Silvina Ocampo zum wichtigen Forum für politische und wissenschaftliche Debatten im Land.

Mehrfache Militärdiktaturen und die daraus resultierenden Bedrängnisse für die Bevölkerung, Dichter und Denker, verhinderten eine freie Entfaltung und Publikation meinungsfördernder Schriften. Zensur, Verlagsschließungen und Bücherverbrennungen waren bis zur Beendigung des letzten Militärregimes 1983 an der Tagesordnung.

Mit Wiederherstellung der Demokratie im Anschluss erlebten die Argentinier ein nie dagewesenes Aufstreben ihrer Literaten in Erzählungen, Romanen, Kinder- und Jugendbüchern.

Namen wie Alicia Partnoy (* 1955), Ana Maria Shua (* 1951), Ernesto Mallo (* 1948) und Alan Pauls (* 1948) erleben seitdem einen enormen Boom, der sich mit der Gründung von Autorengruppen in Kulturzentren, Galerien oder Fabrikhallen festen Boden unter den Füßen verschafft hat.

Jutta Nickel gab mit ihrer detaillierten Übersicht über den argentinischen Menschen, sein Ansinnen und seine Traditionen, die doch sehr kurz sind, einen fundierten Blick in das von Unterdrückung und Barbarei beherrschte und heute befreite Land. Sie zeichnete ein Bild mit allen klimatischen Bereichen und vielen bewegenden Schicksalen, die Menschen zum Schreiben und zur Weitergabe ihrer Gedanken veranlassten.

"Geschmackliche" Abrundung fanden die Zuhörer in der sehr gut besuchten Apotheke von Karsten Wolter im Nachhinein mit dem argentinischen Nationalgetränk Mate-Tee, kalt aufgegossen oder heiß genossen.

Von Christiane Weinhold


WESTFALENPOST (16.09.2010)
Internet: www.derwesten.de/staedte/bad-berleburg/
Bildquelle: WP-Fotos (2) von Christiane Weinhold (cw)

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