Alan Pauls las beim Literaturpflaster
aus der "Geschichte der Tränen"
Kaleidoskop einer Kindheit in Argentinien
Bad Berleburg. (km) In seiner Heimat Argentinien hat sich Alan Pauls mit sechs Romanen und einem Erzählband einen Namen als Autor gemacht, er ist außerdem Professor für Literatur, hat Drehbücher verfasst, für Tageszeitungen und Zeitschriften geschrieben und befasst sich in einer Fernsehsendung mit Filmen und alternativem Kino. Mit der "Geschichte der Tränen", seinem zweiten in deutscher Übersetzung erschienenen Roman, eröffnete der Südamerikaner am Mittwochabend die Reihe der Autorenlesungen im Rahmen des Bad Berleburger Literaturpflasters 2010.
Der Rummel der Frankfurter Buchmesse sei eigentlich nicht seine Sache, dabei gehe es weniger um die Autoren als um die Verlage, so Alan Pauls Einschätzung. "Aber wir sind froh, dass es die Buchmesse gibt und wir so Schriftsteller wie Sie nach Bad Berleburg bekommen", beleuchtete Moderatorin Rikarde Riedesel die Sache von der anderen Seite.
Schon vor gut vier Wochen ist Alan Pauls nach Deutschland gekommen, genauer gesagt nach Berlin, und zwar im Rahmen eines Autoren-Austauschprogramms. Eine Möglichkeit für ihn, seinen familiären Wurzeln nachzuspüren, denn seine Großmutter und sein Vater seien in Deutschland geboren und in den 30er Jahren nach Argentinien ausgewandert.
Große Beachtung in den Feuilletons und beim deutschen Publikum hatte im vergangenen Jahr bereits Alan Pauls Roman "Die Vergangenheit" gefunden, die Geschichte eine Liebe, der auch nach der Trennung nicht zu entkommen ist. Das neue Buch, die "Geschichte der Tränen" ist der erste Band einer Trilogie. Trägt diese Geschichte tatsächlich autobiografische Züge? Es gehe ihm nicht darum, Dinge aus seinem Leben zu beichten, machte der Autor deutlich. Sein Protagonist ist so alt wie er, hat ähnliche Erfahrungen gemacht, bleibt aber namenlos. Das biete dem Leser die Möglichkeit, selbst etwas in die Personen hineinzuprojizieren, ist Alan Pauls überzeugt. Geschildert wird eine Kindheit in den 60er und 70er Jahren in Buenos Aires. Drei Episoden aus dem Leben seines Helden hatte der Autor für die Lesung ausgewählt, wobei Daniela Kreher, die auch als Übersetzerin fungierte, die Aufgabe übernahm, die Textpassagen in deutscher Sprache vorzutragen.
Alan Pauls Art zu schreiben fordert vom Leser Aufmerksamkeit und Konzentration, die Bereitschaft, sich auf Langsamkeit einzulassen wie in einem Kaleidoskop fügt er Satzsplitter zu langen Sätzen zusammen, aus denen Bilder entstehen: der empfindsame vierjährige Held im Superman-Kostüm oder der Dreizehnjährige, der anders als sein etwas älterer Freund keine Träne mehr vergießen kann, als er 1973 im Fernsehen vom Tod des chilenischen Präsidenten Salvador Allende erfährt. "Ist es ein politischer Roman?", fragt Rikarde Riedesel den Argentinier. "Nein", antwortet Alan Pauls, "Aber in Romanen werden das Intime und das Politische eine Sache."
Was hat das literarisch interessierte Publikum von dem 50-Jährigen demnächst noch zu erwarten? Der zweite Band der Trilogie, "Die Geschichte des Haares", ist in Argentinien bereits erschienen. Die Hauptperson: ein junger Mann, der bürgerlich-blond ist und doch so viel lieber revolutionäres Afro-Haar hätte. Am dritten Band arbeitet Alan Pauls derzeit. Titel: "Die Geschichte des Geldes".
Von Karin Masannek