Katja Heinzelmann bei der ersten Lesung
des Literaturpflasters

Fremde Märchenstunde

Für einige der begeisterten Zuhörer bestand nach der Lesung noch Diskussionsbedarf. (WP-Foto: Jonas Breidenstein)
Die Zuhörer in der voll besetzten Stadtbücherei lauschten gespannt, als Katja Heinzelmann ihre sieben argentinischen Märchen frei vortrug. (WP-Foto: Jonas Breidenstein)

Bad Berleburg. (job) Seitdem Katja Heinzelmann vor sechs Jahren in den Ruhestand ging, hat sie sich das Thema Märchen zum hobbymäßigen "Beruf" gemacht. Am Dienstagabend war sie zur ersten Lesung des Berleburger Literaturpflasters mit dem Titel "Argentinische Märchen - Märchen lassen Kulturen aufleben" zu Gast.

Doch eines schoss die gelernte Übersetzerin (66) aus Laasphe gleich vorweg: "Viele argentinische Märchen sind für uns schwierig zu verstehen, weil sie von Indianerstämmen stammen, die durch ihre andere Lebensweise auch eine ganz andere Denkweise entwickelt haben". Doch gerade die Literatur sei ein guter Zugang zu einer fremden Kultur, erklärte Monika Klaffki, Mitglied des Vorstandskommitees des Literaturpflasters.

Trotz aller Warnungen vor vermeintlichen Unverständlichkeiten, lauschten die Zuhörer in der voll besetzten Stadtbücherei gespannt, als Katja Heinzelmann ihre sieben Märchen frei vortrug. Sinngemäß von einer Schöpfungsgeschichte über einen Bräutigam auf Brautsuche bis hin zu einem Märchen, das das Lebensende thematisierte. So mancher staunte angesichts der Handlung in vielen Märchen nicht schlecht: trotz der großen Entfernung zwischen beiden Ländern und der unterschiedlichen Lebensbedingungen, wiesen viele Erzählungen deutliche Parallelen zu den Märchen auf, die hierzulande bekannt sind.

Ein Beispiel ist der junge Bräutigam auf Brautsuche – allerdings ohne Happy-End: Der Jüngling, erfolgreichster Jäger seines Stammes möchte die Tochter der Häuptlings, reichster Mann des Dorfes, heiraten. Die Mondfrau, die auf dem Grund des Sees neben dem Dorf lebt, fühlt sich betrogen und reißt den Jüngling letztendlich an sich, indem sie ihn in einen Frosch verwandelt.

Was auf den ersten Blick wie eine leicht abgeänderte Kopie des Märchens "Die Nixe im Teich" von den Gebrüdern Grimm aussieht, ist in Wirklichkeit wohl vielmehr das Resultat der frühen Auswanderung von vielen Europäern nach Argentinien.

Andere Märchen, wie die Schöpfungsgeschichte des Stammes der "Alakaluf", die auf Feuerland lebten, bewiesen auf der anderen Seite, dass zum Teil völlig verschiedene Auffassungen über das Enstehen von Leben auf der Erde herrschen. Nach den Vorstellungen der "Alakaluf" waren es die Hirsche, die ein junges Mädchen verführten und deshalb als Bestrafung auf allen vieren Leben mussten. Das Mädchen und ihre Nachfahren mussten als Strafe in der Folge auf der Erde weiterleben.

Zum Dank für den Vortrag sowie für die Bereitstellung der Räumlichkeiten überreichte Monika Klaffki Katja Heinzelmann und Gaby Klotz von der Stadtbücherei einen "Literaturpflasterstein". Die Zuhörer waren sich indes in einer Sache schon sicher: sollte es nächstes Jahr beim Berleburger Literaturpflaster wieder um landestypische Märchen drehen, dann nicht ohne Katja Heinzelmann.

Von Jonas Breidenstein


WESTFALENPOST (09.09.2010)
Internet: www.derwesten.de/staedte/bad-berleburg/
Bildquelle: WP-Fotos (2) von Jonas Breidenstein (job)

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