Blick in eine andere Welt

Deutsche und französische Karikaturisten
zeichnen "ihre" Autoren

So sieht der Karikaturist Pancho die Autoren (v. l.) Elfriede Jelinek, Milan Kundera, Marguerite Duras und Bernhard Schlink. Eines der tête-à-têtes, die in der Volksbank in Bad Berleburg zu sehen sind. (SZ-Foto: Anja Helmbrecht)

Bad Berleburg. (ahe) Am Montagabend eröffnete in der Volksbank Wittgenstein in Bad Berleburg die Ausstellung "Tête à Tête, Kopf an Kopf" als erste der beiden Kunstschauen zum 24. Berleburger Literaturpflaster mit Schwerpunkt Frankreich. Darin präsentieren sieben Zeichner aus Frankreich und Deutschland spielerisch ihre Sicht auf die Literatur und ihre Autoren. Etwa zwei Dutzend Kunstinteressierte kamen zur Vernissage, die Kai Wunderlich von der Volksbank eröffnete. Seitens der Veranstalter begrüßte Ulla Belz den aus Berlin angereisten Kurator Walther Fekl, ein wahrer Kenner der politischen Karikatur in Deutschland und Frankreich. Seit den späten 80er-Jahren organisiert der ehemalige Französischlehrer Ausstellungen dieses Genres. "Tête à Tête, Kopf an Kopf" ist seine erste Konzeption mit überwiegend Autorenportraits von satirischen Zeichnern.

Was passiert, wenn sich die Geschicktesten des "genre mineur", des "minderen Genres", wie die verzerrende Karikatur mitunter herablassend bezeichnet wird, an den Großen der Kunst versuchen? Fekl erzählte, dass Pancho, der Chefkarikaturist der linksliberalen Tageszeitung "Le Monde", mit seinen Zeichnungen von Literaten, Schauspielern und Sängern die Idee für die Ausstellung geliefert habe. Pancho holte zunächst seinen Freund, den Illustrator Daniel Maja, mit ins Boot, der über 100 Kinderbücher illustriert hat (u. a. die französische Ausgabe von Kästners "Emil und die Detektive"). Hinzu kamen der Pressezeichner und Plakatmaler Nicolas Vial sowie der beim Attentat auf "Charlie Hebdo" ermordete Karikaturist Honoré, der sich in der Manier des Holzschnitts den Schriftstellern angenähert hatte.

Von den deutschen Zeichnern lud Fekl den altgedienten Karikaturisten Walter Hanel ein, der unter anderem für die Frankfurter Allgemeine Zeitung und den "Simplicissimus" zeichnete und Literaten wie Kafka oder Nabokov in symbolistischer Manier in der Ausstellung zeigt. Dazu kommen der bei Berlin arbeitende Karikaturist, Illustrator und Maler Rainer Ehrt, dessen Arbeiten die Einladungskarte zur Berleburger Schau zieren, und der in Münster lebende Frank Hoppmann, der für seine Karikaturen im Satiremagazin "Eulenspiegel" und in "Welt" und "Süddeutscher" bekannt ist.

Die Ausstellung zeigt Reproduktionen von Zeichnungen und Druckgraphik. Im vertraulichen Zwiegespräch, einem tête-à-tête, stehen sich auf einem engen DINA2-Bogen jeweils zwei ausgewählte Arbeiten gegenüber und treten unweigerlich in Dialog zueinander. Da begegnen sich der ewig mürrisch dreinblickende Peter Handke und die Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek in expressiver Sängerpose, begleitet von Franz Schubert am Laptop. Rilke trifft anerkennend auf den Bildhauer Rodin, Goethe trinkt Tee mit Napoléon, und Heinrich Mann bietet dem ersten Bourbonenkönig Henri IV. eine Gauloise an. Deutsche und französische Autoren werden von den Karikaturisten sensibel unter die Lupe genommen, wobei sie das Werk und das, was sie mit ihm verbinden, in den Vordergrund stellen.

Die nationale Zugehörigkeit ist bei vielen gar nicht so eindeutig zu benennen. Dies gilt im Besonderen für die vor dem Nationalsozialismus zunächst nach Frankreich geflohenen Autoren, wie sie Walter Hanel im "Café des Exilés" zeigt. Dort treffen Anna Seghers, Thomas, Heinrich und Klaus Mann auf Walter Benjamin, Döblin, Feuchtwanger, Brecht und viele mehr. Ihnen gegenüber hängt quasi als Wegweiser Paul Klees Zeichnung "Angelus Novus". Anders Pancho: Er karikiert frontal die auf Deutsch schreibenden Autoren Elfriede Jelinek und Bernhard Schlink und lässt sie die auf Französisch schreibenden Exilautoren Marguerite Duras und Milan Kundera flankieren, so als wolle er den Betrachter provozieren, nachzuspüren, was diese vier wohl eint.

Eine Ausstellung, für die es sich lohnt, mit genügend Zeit genau hinzuschauen. Dass keine Originale gezeigt werden, ist sicher ein Manko. Doch wer die Literatur liebt und ihre Verfasser, dürfte neugierig sein, wie uns die Koryphäen der Karikatur einen intimen Blick auf ihre Lieblingsautoren schenken.

"Tête à Tête – Kopf an Kopf. Deutsche und französische Zeichner zwischen Karikatur und Literatur". Bis 6. Oktober, Volksbank Wittgenstein, Bad Berleburg, zu den Geschäftszeiten.

Von Anja Helmbrecht


Siegener Zeitung (13.09.2017)
Internet: www.siegener-zeitung.de
Bildquelle: SZ-Foto von Anja Helmbrecht (ahe)

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