Bad Berleburg. (aber) Kaouther Adimi ist eine der gefragtesten Autorinnen Frankreichs. Mit ihrem neuen Roman "Steine in meiner Hand" hat sie vor Kurzem den Sprung in die Bestsellerlisten und gleichzeitig auf die Nominierungslisten diverser französischer Literaturpreise geschafft, unter anderem des Prix Goncourt. Ein dementsprechend vollgepackter Terminkalender sollte wohl keinen mehr erstaunen. Umso glücklicher zeigten sich Rikarde Riedesel und Otto Marburger vom Berleburger Literaturpflaster, dass sie die 31-Jährige am Sonntagabend in der örtlichen Schlossschänke begrüßen durften.
Extra aus Paris angereist, präsentierte Kaouther Adimi dem interessierten Publikum ihr neuestes Werk, schilderte ihren Werdegang als Schriftstellerin und teilte spannende, unterhaltsame und manches Mal auch bedrückende Erlebnisse aus ihrer Kindheit in Algerien und ihrem späteren Leben in Frankreich. Begleitet wurde die Erfolgsautorin von der aus Heidelberg angereisten Übersetzerin und Kulturjournalistin Regina Keil-Sagawe, die auch "Steine in meiner Hand" ins Deutsche übertrug. In einem lebhaften Dialog zwischen Autorin und Publikum sowie der ein oder anderen Passage aus Adimis neuestem Roman führte sie die Gäste durch den Abend. "Bei solch hohem Besuch wird Berleburg ja geradezu zur Kleinstadt der großen Literatur", schmunzelte Otto Marburger, der an diesem Abend die Rolle des deutschen Vorlesers übernehmen durfte.
Kaouther Adimi ist 1986 in Algier, Hauptstadt Algeriens, geboren und dort aufgewachsen. Ihre Kindheit und Jugend verbringt sie in einem Land, das vom allgegenwärtigen Bürgerkrieg geprägt und zerrissen ist. Als Kaouther vier Jahre ist, zieht die Familie aus beruflichen Gründen nach Frankreich, kehrt allerdings vier Jahre später wieder in die Heimat zurück. Erst zum Studium verlässt das Schreibtalent Algerien abermals und kehrt zurück nach Frankreich.
Schon früh gewann Kaouther Jugend- und Schreibwettbewerbe; auf der Suche nach ihrem Literaturgenre fand sie sich zwischen zwei Ländern, zwei Kulturen und zwischen zwei Welten wieder. Vor allem aufgrund Algeriens 130-jähriger Vergangenheit als Kolonie Frankreichs ist die Situation innerhalb des Bevölkerung mehr als kompliziert. Neben essentiellen Gütern fehlte es vor allem an Büchern. Kaouther formulierte ihren Wunsch zu schreiben damals mit einem lachenden und einem weinenden Auge: "Ich habe angefangen zu schreiben, damit ich was zu lesen habe." Bis heute weigert sich das Land des Maghrebs, der Frankophonie beizutreten, der Gesamtheit der französischsprachigen Staaten, die heutzutage mehr als 60 Staaten auf fünf Kontinenten erfasst. Kaouther Adimi hat dafür eine düstere Erklärung: "Algerien war während der Kolonialzeit nie wirklich frankophon. Algeriern war die Sprache genauso wie das gesamte Schulsystem meist überhaupt nicht zugänglich."
In ihren Büchern verarbeitet die Schriftstellerin ihre Kindheitserinnerungen aus Algerien, jedoch frei von biographischen Zügen. Das Bild ist oft geprägt von Armut und sozialem Druck, besonders bei der Heirat, aber auch durchzogen von Familie, Glück und Humor.
"Steine in meiner Hand" (im Original "Des pierres dans ma poche", also: "Steine in meiner Tasche") befasst sich mit einer jungen in Algier geborenen Erzählerin, die sich in Paris ein eigenständiges Leben aufgebaut hat und kurze Zeit später von ihrer Vergangenheit in der Heimat, den Erwartungen der Familie und ihren eigenen Ängsten eingeholt wird. Es dreht sich um das In-der-Fremde-erwachsen-Werden, um die Angst vor Veränderungen und um die Angst, in den Augen der anderen anders geworden zu sein. Das Buch hat durchaus auch feministische Züge, befasst es sich doch überwiegend mit der Rolle der jungen algerischen Frau in ihrem Heimatland. "Natürlich bin ich auch Feministin, ich hoffe, dass das alle hier sind", so Adimi. Für ihre außergewöhnliche Präsentation erhielt die Erfolgsautorin passend zu ihrem neuen Buch auch gleich einen Stein in die Hand – und zwar nicht irgendeinen: Otto Marburger und Rikarde Riedesel überreichten stolz den "Literaturstein" des Berleburger Literaturpflasters an Kaouther Adimi, Regina Keil-Sagawe und die Inhaber der Berleburger Schlossschänke.
Von Ann Kathrin Berge