Die etwas anderen Märchen

Literaturpflaster: Im Haus am Sähling hörten Erwachsene spannende Geschichten / Katja Heinzelmann entführte das Publikum in fremde Welten der Prinzessinnen und Zwerge.

Am Donnerstagabend erlebten die Zuhörer viele noch unbekannte Märchen. Das Gastland Frankreich des Literaturpflasters hatte diese auf Lager. (SZ-Foto: pet)

Bad Berleburg. (pet) Von Rotkäppchen bis Dornröschen, von Aschenputtel bis Schneewittchen: All diese Märchen scheinen das glückliche Ende gemein zu haben. Doch macht das die Märchen wirklich aus?

Katja Heinzelmann bewies am vergangenen Donnerstag, dass der Moralaspekt viel wichtiger ist. Anlässlich des Bad Berleburger Literaturpflasters erzählte sie im Haus am Sähling französische Märchen, die vor allem an Erwachsene gerichtet sind. Die Europäische Märchengesellschaft ermöglichte ihr die Ausbildung zur Märchenerzählerin. Alles fing bereits im Jahr 2000 an. Vier Jahre später wagte sie "den Sprung ins kalte Wasser."

Am Ende des Abends war sich das Publikum einig. Resümierend beschrieb die Expertin Märchen so: "Es sind Geschichten, die auf verschiedenste Weise bewegen können." Die geschulte Stimme von Katja Heinzelmann schafft es, lebendige Bilder vor dem inneren Auge der Zuhörer zu kreieren und sie in fremde Welten der Prinzessinnen und Zwerge zu entführen. Als Einstieg berichtete die Expertin von anderen Versionen der bekannten Grimm Märchen. Schnell wurde klar: Diese scheinen deutlich blutiger auszufallen. Bei Dornröschen entpuppte sich ihre Schwiegermutter plötzlich als Menschenfresser. Doch schnell wurde das Publikum beruhigt: Solche Märchen existieren, aber um die sollte es sich an dem Abend nicht drehen. Insgesamt vier Geschichten hatte die Erzählerin in petto. Relativ harmlos der Einstieg in die Welt der französischen Märchen: Ein König mit drei Söhnen sucht nach seinem Thronfolger. Dafür sollen sie ihm Seide und andere edle Güter bringen. Die älteren beiden lassen den Jüngeren zurück, da ihnen seine hässliche Gestalt unangenehm ist. Dadurch macht dieser sich allein auf die Suche.

Im Wald trifft er auf ein Haus, darin sitzt eine weiße Katze, die ihm mit den Aufgaben des Vaters immer wieder hilft. Jedoch muss er für die Seide ihre Ohren abschneiden und diese verbrennen. Noch brutaler muss er vorgehen, um die schönste Jungfrau im Land zu finden. Denn dazu ist der Tod der weißen Katze nötig. Nachdem er sie vergräbt, verwandelt diese sich in die Jungfrau, die er selbst und nicht sein Vater heiratet. Nach dem ersten Märchen klärte die Expertin die Zuhörer auf: "In vielen Märchen ist die Wiedergeburt eine wichtige und leitende Thematik." Bei einer folgenden Geschichte entführte Katja Heinzelmann das Publikum auf die Insel Korsika: Die 15-jährige Belladonna wird nach der Geburt mit einem Geschenk gesegnet. Sie kann sich in jedes Wesen verwandeln, das ihr in den Kopf kommt. Es folgt der Tag, als sie beschließt, das Nachtigallmännchen auf dem Granatapfelbaum zu heiraten. Das gefällt der Mutter gar nicht, sie sperrt kurzerhand ihre Tochter ein. Durch einen Trick schafft es Belladonna jedoch, den Diener dazu zu bringen, die Tür zu öffnen. Schnell verwandelt sie sich in eine Fliege und flieht vor der Mutter.

Als die Mutter nach einer langen Suche sie endlich findet, verwandelt sich Belladonna in einen Rosenstrauch. Wutentbrannt reißt die Mutter diesen aus. Dadurch stirbt das Kind und drei Tage später vor lauter Trauer auch das Nachtigallmännchen. Der absolut erfolgreiche Abend stellte unter Beweis, dass Märchen eben nicht nur für Kinder sind. Darüber hinaus betonte die Märchenexpertin: "Früher waren es vor allem die Männer, die Märchen erzählt und gehört haben.


Siegener Zeitung (23.09.2017)
Internet: www.siegener-zeitung.de
Bildquelle: SZ-Foto von (pet)

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