Bad Berleburg. "Full House", möchte man sagen. Nur wurde hier in der Sparkasse Wittgenstein nicht gezockt, sondern gespielt; und zwar französische Chansons vom Allerfeinsten. Und das vor absolut vollem Haus, denn bevor das Konzert im Rahmen des Berleburger Literaturpflasters beginnen konnte, mussten wohl sämtliche Sitzgelegenheiten aus den Beratungszimmern zusätzlich gestellt werden.
Und bereits mit dem ersten für Frankreich so typischen Musette-Walzer "Soir de Paris" nahmen die Musiker das Publikum gefangen und entführten es in ein Pariser Café oder Konzerthaus. Mit der Zusammenstellung dieses Ensembles hat der Kontrabassist Uli Bär einen wirklichen Glücksgriff getan: die Besetzung, angesiedelt zwischen Chanson und Swing, mit Akkordeon, Cello, Gitarre, Bass und Gesang. Die Musiker: international und allesamt super.
Warme und weiche Melodien
Miroslaw Tybora ist ein Zauberer am Akkordeon. Mit spielerischer Leichtigkeit meistert er die schnellsten und schwierigsten Passagen und wechselt zum Tango einfach einmal auf das Bandoneon. Charlotte Voigt übernimmt den melodischen Part auf dem Cello. Dadurch klingen die Melodien warm und weich, können aber in den hohen Lagen entsprechend strahlen. Gitarrist Felix Krampen ist ein Tausendsassa auf der Gitarre: Mal hält der sich begleitend zurück, dann wieder spielt er Soli im Stile von Django Reinhardt. Jean-Claude Séférian ist einer der großen Protagonisten des französischen Chansons mit wunderbar authentischer modulierfähiger und ausdrucksstarker Stimme. Bär lernte ihn in Südfrankreich kennen und stellte dann erstaunt fest, dass Séférian der Liebe wegen in Münster nur wenige Kilometer von seinem eigenen Wohnort entfernt lebt und arbeitet. Zusammen nennen sie sich seit einem Jahr "Café de Paris", was die besonders feinwürzige französische Komposition von Ensemble und Liedern sehr schön verdeutlicht.
Legenden und Überraschungen
Mitgebracht hatten sie an diesem Abend einige der ganz bekannten französischen Chansons der berühmtesten Chansonniers wie "C’est si bon", "Les Champs-Elysées", "Sous le ciel de Paris" oder "Non je ne regrette rien" der Legende Edith Piaf. Aber auch Überraschungen waren dabei wie "Oblivion" von Astor Piazolla, der in Paris studierte oder "I love Paris" von Cole Porter, der über ein Jahrzehnt in Paris lebte oder auch die berühmte Swingnummer "Douce ambiance" von Django Reinhardt, dessen Leben sich zum großen Teil in Wohnwagensiedlungen am Stadtrand von Paris abspielte. Und mit seiner Eigenkomposition "J’ai chanté" beschrieb Jean-Claude Séférian das, was ihn beim Singen der berühmten Chansons bewegt und was er erlebte. Folgerichtig bildete sie den Schluss des offiziellen Programms.
Dass es das Publikum damit allerdings nicht bewenden lassen würde, war zu dieser Zeit längst klar, denn bereits vor der Pause wogten Begeisterungsstürme durch das Foyer der Sparkasse und beim französischen Wein in der Pause sah man in viele glückliche Gesichter. Und so konnte der Abend erst nach mehreren Zugaben (u.a. "Bei mir bist du schön") ein begeistertes Ende finden. Da ist der Kulturgemeinde als Veranstalter ein richtiger Glücksgriff gelungen. À la bonne heure, Chapeau!
Von Christoph Haupt
Allround-Talent
- Uli Bär ist Kulturmanager und Kontrabassist.
- Er entwickelt Konzerte für Kinder und ist Intendant des "Celloherbst am Hellweg". Hinzu kommt eine intensive Lehrtätigkeit an Musikschule und Uni.
- Bereits mehrfach ist er in Bad Berleburg u.a. mit dem "Acoustic Jazz Quartett" und den Hellweger Cellisten aufgetreten.
- Auch im Bereich Jazz gibt er viele Konzerte.
WESTFALENPOST (10.10.2017)
Internet: www.wp.de/staedte/wittgenstein/
Bildquelle: Fotos (2) von Christoph Haupt