Hallgrímur Helgasons "Eine Frau bei 1000°"

Klarsichtiger Blick zurück

Hallgrímur Helgason lässt in 'Eine Frau bei 1000°' die 80-jährige Herbjörg von ihrer Garage aus in die Welt surfen. Die krebskranke Frau hat selbst ein sagenhaft bewegtes Leben hinter sich. (Foto: Klett-Cotta/Marijan Murat)

Stuttgart. (riri) Herbjörg ist 80 Jahre alt und lebt allein in einer Garage. Von ihrem Krankenhausbett aus surft sie mit ihrem Laptop in den virtuellen Welten rund um den Globus und nimmt unter falschem Namen am Leben ihr völlig unbekannter Menschen teil. Dabei ist ihr eigenes Leben so skurril und fantastisch gewesen, dass es für mehr als eines gereicht hätte.

Hallgrímur Helgason spiegelt in seinem neusten Roman das 20. Jahrhundert in der Lebensgeschichte von Herbjörg, das sich zwischen der einsamen Landschaft Islands, den Ereignissen in Deutschland im Zweiten Weltkrieg, Argentinien und Reykjavik bewegt. Herbjörg ist krebskrank, doch obwohl sie ans Bett gefesselt ist, sprüht die Lebensenergie weiterhin aus jeder ihrer Gedanken und Handlungen. So plant sie ihre Einäscherung auf den Tag genau. Die Rückblicke in ihr Leben sind von einer prägnanten Klarsicht und mit einer großen Portion schwarzem Humor vermischt.

Wie ein riesiges Puzzle setzt Hallgrímur Helgason kapitelweise das Leben der alten Frau zusammen. Ihre ersten sieben Lebensjahre verbringt sie im abgeschiedenen Nordwesten Islands bei ihrer Mutter und Großmutter, da sich ihr Vater nicht durchringen konnte, zu seiner nicht standesgemäßen Liebe zu stehen.

Hallgrímur Helgason: 'Eine Frau bei 1000°'

Die Starrköpfigkeit ihres Vaters, der Naziideologie zu folgen, reißt die Familie jedoch nach wenigen Jahren wieder auseinander und lässt Herbjörg durch das Kriegsdeutschland irren.

Die Geschichte wird nicht chronologisch erzählt, sondern kehrt immer wieder in die Garage in Reykjavik zurück. Besondere Ereignisse in ihrem Leben werden eingestreut, so dass der Leser das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen mag, um die Puzzelteile dieses Lebens zusammensetzten zu können.

Hallgrímur Helgason hat seinem Status als Kultautor erneut alle Ehre gemacht.

Eine Lesung mit ihm ist am Donnerstag, 6. Oktober, 20 Uhr, in der Berleburger Backstube Café Wahl zu erleben.

Hallgrímur Helgason:
"Eine Frau bei 1000°"

Tropen, Stuttgart 2011, 19,95 Euro

Sagenhaft: Buchmessen-Ehrengast Island

Rund 200 Bücher zum Thema Island erscheinen im Zuge des Ehrengastauftrittes "Sagenhaftes Island" bei der Frankfurter Buchmesse vom 12. bis 16. Oktober. Der Katalog "Sagenhafte Bücher aus Island", der unter www.sagenhaftesisland.de als Download zur Verfügung steht, bietet einen Überblick mit Kurzbeschreibungen zu allen neuen Island-Titeln – von den Neuerscheinungen zu den mittelalterlichen Sagas und Eddas, den isländischen Klassikern der Moderne und der Gegenwartsliteratur bis hin zu den Sachbüchern, den Kunstbänden und den Reiseführern.

Island ist natürlich auch Thema beim Berleburger Literaturpflaster, das sich immer mit dem Gastland der Frankfurter Buchmesse beschäftigt. Auf dieser Seite stellen wir einige Autoren und ihre neuen Bücher vor, die live zu entdecken sich lohnt – vom Krimi bis zum Kinderbuch. Weitere Informationen im Internet unter www.literaturpflaster.com.


Siegener Zeitung (14.09.2011)
Internet: www.siegener-zeitung.de
Bildquelle: Foto von Klett-Cotta/Marijan Murat

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