Bad Berleburg. (cs) "Was ist er denn nun, Deutscher oder Isländer?" wird sich so mancher Zuhörer im Berleburger Sanitätshaus Kienzle gefragt habe. Die Leidenschaft mit der der gebürtige Hamburger Kristof Magnusson mit isländischem Vater seine ersten Worte in den Verkaufsraum stellte, fesselten an das ungewöhnliche Land Island.
Der 36-jährige multitalentierte Allrounder, er ist nebenbei auch Kirchenmusiker mit Felix-Stipendium und Praktikum am Maxim-Gorkij-Theater, weiß um die isländischen Eigenheiten bis in die kleinste Nunance. Kristof Magnusson liebt den Inselstaat mit seinen unzähligen völkischen Sagas und der 1.200 Jahre alten Tradition. Daher kann er es vermutlich auch mit Leichtigkeit beschreiben, dass beinahe jeder Winkel des Hamburger Elternhauses gespickt ist mit Island-Typischem.
Sein Redefluss über die bizarre Schönheit der teils schroffen Inselnatur, baumlos, temperaturmäßig für den Mitteleuropäer gerade im Sommer eine Überwindung darstellend, ist unerschöpflich. Wann hat er jemals Luft geholt? Die Liebe zu Mensch und dem galoppierenden Islandpferd funkelt ihm aus den blauen Augen. Für den jungen Mann hatte das Land mit geschätzten 320.000 Einwohnern seit je her die familiäre Bedeutung. Die Deutschen wurden erst durch das Medium Fernsehen wirklich aufmerksam auf das Eiland, das es sich hart erkämpfen musste, gar auf einer europäischen Wetterkarte zu erscheinen. War es nicht der kürzlich verstorbene Loriot, der eine Islandreise in seinen Lottogewinner-Sketch des Erwin Lindemann so köstlich einbaute? Das war Anfang der 80-er Jahre. Aber auch umgekehrt fasste das isländische Publikum gleichzeitig Fuß in der deutschen Fernsehlandschaft, und zwar mit keinem geringeren als Kommissar Stefan Derrick.
Mit seinen "Gebrauchsanweisungen für Island" gibt er in Berleburg nicht nur einen herrlich köstlichen Arbeitstitel an die Hand, Kristof Magnusson macht Lust auf viel mehr, auf das Badeverhalten der Einheimischen in öffentlichen Schwimmbädern, die dort wie Pilze aus dem Boden sprießen, mit Kinos, in denen es als Snack nicht nur Kartoffelchips im Angebot gibt, sondern ab und an auch den traditionellen getrockneten Fisch.
Mit derbem Humor verweist der nimmermüde Autor auf den unaufhaltsamen Eingriff der Natur ins Reykjaviker Alltagsleben hin, wenn das Ausweichen eines Sandsturms zum Spießrutenlauf wird. Schließlich schmiergelt dieser den Lack der klobigen Geländewagen von strahlendem Glanz zur spröden Oberfläche.
Island ist weniger ein Land, es ist ein Wunder. Anders ist auch der Aufbau in jedem Lebensbereich für Kristof Magnusson kaum zu erklären. Die Isländer sind ein sehr fleißiges Völkchen, wo nahezu jeder mehrere Jobs bekleidet. Machbar auch für Paare mit Kleinkindern, da dort die Betreuung hervorragend arrangiert wird.
Es ist geologisch und auch geografisch das jüngste Land der Erde und es wächst weiterhin, denn jeder neue Vulkanausbruch fördert neue Landmasse zutage, die auch fortwährend das Erscheinungsbild der Insel nachhaltig verändert. Nach Magnussons Worten lässt das Land samt seines Volkes keinen Unfug aus, sei es ein Erdbeben oder die jüngste Bankenpleite.
Wann sind Isländer eigentlich mal anders, exotisch? Ganz eindeutig im sechs Wochen währenden Sommer. Eine Hitzewelle beginnt bei 15 Grad und kommt einem permanent geöffneten Kühlschrank gleich, in dem weiterhin das Licht brennt und das Gefrierfach abtaut.
Mit vielen Lachern auf seiner Seite hat der lebhafte Kristof Magnusson am letzten Lesungsabend des 18. Berleburger Literaturpflasters große Neugier auf das Land mit dem unsichtbaren Elfenvolk ins Rollen gebracht.
Es gibt viel Unerklärliches, Skurriles aber auch Groteskes, was der deutsche Verstand nicht greifen kann. Oder hat die Bundesregierung eine(n) Beauftragte(n) für die spirituelle Welt abgestellt, die Elfen und Kobolde nach ihrem Befinden über Architektur und Straßenbau befragt? In Island gibt es das. Dort hat die "Anderwelt" enorme Bedeutung und wird respektiert wie leibhaftige Menschen.
Als Dank für seine Innenansichten und lustigen Betrachtungsweisen über die Insel, die mit keiner anderen der Welt vergleichbar ist, erhielt der junge Autor und Übersetzer aus den Händen von Otto Marburger (Kulturgemeinde) einen an Island erinnernden Literaturpflasterstein aus Basalt.
Jetzt folgt Neuseeland
Eine nie dagewesene Publikumsmenge erfreut in diesem Jahr die Veranstalter und mit einer Träne im Knopfloch müssen die Literaturfreunde nun auf den Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2012, Neuseeland, noch gut ein Jahr warten. Doch die Zeit lässt sich mit dem Lesen isländischer Literatur überbrücken.
Von Christiane Sandkuhl