Bad Berleburg. (cs) Das Wesentliche eines Landes zu erkennen, umfasst in der Regel Natur und Historie in Relation zu den jeweilig dort lebenden Menschen. Die vergangenen Wochen haben den Berleburger Bücher- und Lesefreunden die große, aber dünn besiedelte Insel Island näher gebracht. Neben vielen Autoren, Geschichtshintergründen und Eigenheiten des Volkes wurde nun auch landestypische Musik präsentiert.
Im Vorfeld gab es in Bezug darauf kritische Stimmen, da keinerlei namhafte isländische Komponisten von sich reden machen. Die Eheleute Gerður Gunnarsdóttir und Claudio Puntin drapierten die Zusammenstellung ihrer präsentierten Stücke unter dem Motto "The Essence of North - Island" eigens für die Konzertvorstellung auf Schloss Berleburg im Rahmen des 18. Literaturpflasters.
Claudio Puntin, in der Schweiz geboren, und nach Angaben des Vorsitzenden der Kulturgemeinde Bad Berleburg, Otto Marburger, durch seine Gemahlin zum waschechten Isländer gemacht worden, gab ein buntes Stelldichein mit seinen Klarinetten. Die Instrumente sind ungewöhnlich, auffallend groß, mit auswechselbaren Mundstücken. Sie ähneln in der Form den Saxophonen, allerdings geben sie ein differenziertes Klangbild. Zunächst erschien die Verbindung als Duo Violine und Klarinette etwas befremdlich. Der Auftakt des ersten Stückes hatte etwas Galaktisches und große Ähnlichkeit zum Klezmer-Stil. Claudio Puntin erklärte im ersten Konzertteil die Nähe zur Natur, zur Entwicklung des Wetters, das sich alle zehn Minuten ändert, und interpretierte so mit seiner Frau Kapriziosität und Naturtemperamente durch "Skerpla" (Mittsommer).
Gerður Gunnarsdóttir ist im kammermusikalischen Fach groß geworden. Sie absolvierte von 1971 bis1983 ein Geigenstudium am Sigursveinn-D.-Kristinsson-Konservatorium in Reykjavík. 1983 bis 1988 folgte ein Geigenstudium an der Musikhochschule Köln bei Igor Ozim, außerdem Kammermusikunterricht, auch bei Mitgliedern des Amadeus Quartetts.
Seit 1998 musizieren Claudio Puntin und Gerður Gunnarsdóttir in seiner Quipu. Der 46-jährige gelernte Goldschmied gab nach seiner Ausbildung allerdings seinem Steckenpferd, dem Klarinetten-Spiel, größere Bedeutung und studierte von 1987 bis 1993 in Köln und Rotterdam Klarinette, Bassklarinette, Jazz und zeitgenössische Musik. Daneben nahm er an Lehrveranstaltungen von Sergiu Celibidache teil. Beide Musiker gingen ein akustisches Experiment ein, das wohl, die Mimik der Konzertbesucher verriet es, für manchen ein harter Ritt schien. Und dennoch, die Erklärungen Claudio Puntins besänftigten und ließen das Publikum, welches leider die Ränge nur zur Hälfte füllte, sogar schmunzeln. Die "tierischen" Interpretationen der Hufe und der speziellen Gangarten von Islandpferden sowie die Rufe isländischer Vögel wehten einen Hauch Fauna in den Saal.
Gerður Gunnarsdóttirs lieblicher Sopran interpretierte das Gedicht "Hvert örstutt spor" (Jeder kleine Schritt) des isländischen Literaturnobelpreisträgers Halldór Laxness. Zart erklärte sie mit atmosphärischen Klängen die Zerbrechlichkeit des isländischen Sommers und griff parallel ein Gedicht ihres Vaters in vertonter Form auf, um an das Mystische Islands heranzuführen.
Alles in allem ein sehr ungewöhnliches Konzert, das Fragen offen ließ, bewusst zur eigenen Interpretation anregte, gleichermaßen dann wiederum eine Flut an Landeskenntnissen und fremdartigen Klängen in den Raum spülte, die aus Publikumskreisen mit da capo-Rufen und kräftigem Applaus honoriert wurden.
Von Christiane Sandkuhl