Bad Berleburg. (vg) Es wurde eine turbulente Reise zu den großen, weiten Seen Islands, durch die Weite der ungebändigten Natur, an den Rand karger Gehöfte und Siedlungen und hin zu fantastischen Königreichen, die es so wohl nie gegeben hat, als Katja Heinzelmann jetzt sieben isländische Märchen in Bad Berleburg zum Besten gab. Im Rahmen des Berleburger Literaturpflasters zum Thema "Island" waren zahlreiche Besucherinnen und zwei kleine Jungen der Einladung in die Stadtbücherei gefolgt, um sich von der Märchenerzählerin aus Bad Laasphe in fremde Welten entführen zu lassen.
Gebannt verfolgte das Publikum dabei unter anderem die Erzählung von dem fleißigen Mann aus dem Südland, dem eine zauberische Elben-Sichel manches Glück und Wohlstand beschert oder es fieberte bei der Geschichte über den armen Fischer mit, dem der sonderbare Meermann Fluki plötzlich einen Wunsch nach dem nächsten erfüllt, bis es der Mann mit dem Wünschen zu sehr auf die Spitze treibt.
Auch das Märchen der drei Schwestern Asa, Signi und Helga, das ein bisschen an an die Grimm’schen Texte "Aschenputtel" und "Frau Holle" erinnerte, verfehlte seine Wirkung nicht. In einer weiteren Geschichte nahm Katja Heinzelmann ihre Zuhörer daraufhin mit in das sagenhafte Land der unglücklichen Königin Ulvilt, die einst von einer Hexe verflucht wurde und nun unter den Menschen weilen muss. Auch ließ sie ihre Zuhörer an der Erzählung über die drei Brüder Asmund, Sigmund und Torstin teilhaben, die sich aufmachen, die verloren gegangene, sprechende Kuh Bukolla zu finden. Noch einmal richtig spannend wurde es im Märchen von dem garstigen Hügelweib, das ein altes Paar so lange ausraubt und schikaniert, bis sich der alte Mann und seine Gattin ernsthaft und listig gegen die unheimliche Riesin zur Wehr setzen. Da musste am Ende mitunter auch ein Kopf rollen.
Zwischendurch hatten die Gäste des Märchenabends aber auch immer wieder die Gelegenheit, über die pointierten Wendungen in den Geschichten und manche überaus lustige Dialoge zu schmunzeln. Und die Bilder im Kopf taten ihr übriges, die Spannung aufrecht zu erhalten: Da floh ein junger Bursche auf einer sprechenden Kuh vor aufgebrachten Troll-Frauen, da löste sich ein goldener Ring vom Finger der traurigen Elbenkönigin und rollte davon und da polterte ein grauenvolles Hügelweib mit Zorn und bösen Absichten drauf los, dass es nur so eine Art hatte.
Vor allem das Märchen von dem Burschen namens Wollschlingel, der sich mit listenreichen Taten und tolldreistem Geschick bald die Gunst der Königstochter erschleicht, blieb allen Beteiligten noch in ganz besonderer Erinnerung. Denn in der Geschichte gelingt es dem jungen Schelm, eine ganzes Königshaus ordentlich durcheinander zu bringen. Wollschlingel fordert sich dabei nicht nur einen Schlafplatz bei Königstochter und Königin, den er im Tausch mit besonderem Zauberwerkzeug auch erhält, sondern er zwingt am Ende auch den König mit ebensolchem Tausch-Geschäft, die Krone abzulegen und ihm einen Kuss auf das entblößte Hinterteil zu schenken.
Die Märchen Islands seien etwas ganz besonderes, stellte auch Monika Klaffki von der Berleburger Bücherei MankelMuth, fest, vor allem deshalb, weil hier Mythen und Sagen noch immer einen ganz besonderen Stellenwert im alltäglichen Leben der Menschen einnehmen würden. "Nicht umsonst kann es vorkommen, dass, wenn in Island eine neue Straße gebaut werden muss, erst geprüft wird, ob sich vor Ort und Stelle nicht Naturgeister befinden, die es zu besänftigen gilt."
Auch Katja Heinzelmann zeigte sich von den Geschichten und Sagen aus dem fernen Land fasziniert: "Ich bin selbst schon auf Island gewesen und habe meinen Aufenthalt dort sehr genossen." Die überlieferten Erzählungen mit den fantastischen Figuren, den Trollen und Elfen, würden immer wieder aufs Neue eine ganz besondere Faszination ausüben.
"Was auffällt, ist, dass in vielen Märchen große Wälder auf Island vorkommen, was aber der Wirklichkeit nicht entspricht", so die Märchenerzählerin. "Ich gehe daher davon aus, dass diese Märchen, in denen die Wälder vorkommen, aus einer uralten Zeit stammen, aus einer Zeit eben, als es vielleicht noch solche Wälder auf Island gegeben haben könnte." Wann sie sich selbst auf den freien Vortrag vorbereitet habe? "Relativ spät diesmal, weil ich lange Zeit heiser war", antwortete Katja Heinzelmann mit einem Augenzwinkern. "Und ich muss mir die Texte nun einmal laut für mich selbst aufsagen, so behalte ich sie mir eben am besten im Kopf."
Für ihren gelungenen Vortrag überreichte Monika Klaffki der Märchenerzählerin schließlich einen Literaturpflasterstein. Ein zweiter Literaturpflasterstein ging an Gaby Klotz, Leiterin der Stadtbücherei Bad Berleburg.
Dr. Volker Gastreich