Bad Berleburg. (ahe) Haben Sie schon mal ein gekochtes Möwenei probiert? Nein? Im Bad Berleburger Stadtmuseum am Goetheplatz können Sie dies im Oktober "nachholen". Denn hier gibt es erste Eindrücke von dieser in Island viel gepriesenen Delikatesse. Der Fotograf Michael Agel hat in Island scheinbar alterslosen Männern dabei zugesehen, wie sie steile Küstenwände überwinden, um die schneeweißen Eier der Meersegler zu erbeuten. An alten Tauen seilen sie sich ab, nehmen die Eier aus den Nestern, stopfen sie sich in ihre Pullis und klettern anschließend die Klippen wieder rauf. So machen es die Einheimischen schon seit Hunderten von Jahren, eine alte Tradition, erzählt Agel begeistert. Einige der Eier werden sofort verzehrt, andere wandern für rund 230 isländische Kronen als Doppelpack in den Supermarkt. Der Himmel auf den Bildern ist azurblau, die kargen Wiesen bei den Klippen sind besonders grün, die zweckmäßigen, aber jeder Outdoormode fernen Windjacken der Männer leuchten grell in der Sonne. Alltagsvergnügen auf Isländisch. Jedenfalls suggerieren das die Fotos. Die Serie über das Sammeln der Möweneier ist eine der beiden Island-Serien, die Agel in "Island - Abseits der Wege" zeigt. Die Ausstellung ist ein Programmpunkt des diesjährigen Berleburger Literaturpflasters ("Island"). 89 meist kleinformatige Abzüge in Farbe oder Schwarz-Weiß, immer als korrespondierendes Doppel über- oder nebeneinander gerahmt hinter Glas, sind im Stadtmuseum zu sehen. Eindrücke von der nordischen Insel, auf der die Naturmythen und die Mystik nicht Kitsch, sondern Bestandteil der Alltagskultur sind.
Die ferne Insel vermag bei den meisten sofort einen unbeschreiblichen Sog auszulösen, der offenbar einer unbewussten Sehnsucht folgt, Island irgendwann einmal selbst erkunden zu wollen. Was ist es denn ist, könnte man fragen, das diese unbestimmte Sehnsucht anstößt? Ist es die Suche nach Ursprünglichkeit, natürlichem Rhythmus, Einfachheit und unbeschwerter Lebensfreude? Oder erscheint hier der Sinn des Lebens einfach greifbarer, weil Mythen, Sagen und Naturgeister mehr Platz haben im Leben und dazugehören. Dieses ungreifbare Sehnen jedenfalls teilten nicht wenige Besucher am Donnerstagabend bei der Eröffnung. Und auch der Berliner Kurator Matthias Wagner K griff sie in seinen einführenden Worten auf.
Die andere Serie zeigt einige Isländer bei der Papageientaucherjagd. Die kleinen Vögel mit den roten, wulstigen Schnäbeln leben zu Hunderten auf der Insel und gelten als Delikatesse. Mit großen dreieckig gebogenen Keschern lauern die Männer in den Klippen den Vögeln auf, um sie mit einer raschen Bewegung im Flug zu fangen. Danach werden die Vögel getötet, gerupft und zubereitet oder wandern ebenso in den Supermarkt, da kein Fleisch nach Island importiert werden darf.
Das alles zeigen die Bilder und sind nah dran an der Reportage. Genau das ist es auch, was Michael Agel an der Insel so reizt. Bewährt hat er sich als Fotograf zahlreicher Rockbands. So erstellte er u. a. für die Red Hot Chilli Peppers, Motörhead und Metallica so genannte Tour Diaries. Mit Fotoserien und Büchern über die deutsche Fußballnationalmannschaft machte er sich im vergangenen Jahr einen Namen.
Michael Agel fotografiert mit einer Leica M6, einer Kleinbildkamera, die auch früher schon gerne in der Reportage-Fotografie verwendet wurde. Sie fordert vom Fotografen eine bestimmte Nähe zum Objekt. Das geht aber nur, wenn Vertrauen zwischen Fotograf und Akteur besteht, eine Nähe, die schließlich auch in den Aufnahmen wiederhallt.
Michael Agel: "Island - Abseits der Wege" (Fotografien)
29. September bis 28. Oktober 2011
Museum der Stadt Bad Berleburg
Di., Fr., Sa., So. 15 - 18 Uhr
Von Anja Helmbrecht