Hugo Hamiltons "Irischer Freund"
ist nüchtern und menschlich zugleich

Auswege finden

Hugo Hamiltons 'Der irische Freund' ist familienbezogen, also irisch, aber auch europäisch. Er erzählt von dem Serben Vid Cosic, der in Irland einen Neustart wagt. (Foto: Mike Wolff)

Köln. (kk) Eigentlich ist Irland das Land der Auswanderer. Millionen Iren zog es in die Neue Welt – beseelt von der Hoffnung, der Armut zu entkommen und eine neue Heimat in der Fremde zu finden. Zwar ist es nicht die Armut, der der Serbe Vid Cosic entflieht. Die Hoffnung auf ein neues Leben ist es aber allemal, die ihn antreibt, sein Geburtsland zu verlassen und in Irland einen Neustart zu wagen. Tief sitzen bei ihm die Erinnerungen, die er als Kind im Balkankrieg gemacht hat. Stets begleitet ihn die Vermutung, dass auch sein Vater zu den Tätern gehört haben könnte.

Durch einen Zufall lernt der handwerklich begabte Einwanderer den gewieften Anwalt Kevin Concannon kennen. Schnell werden die beiden jungen Männer zu Freunden. Kevin besorgt Vid Arbeit und Einkommen im renovierungsbedürftigen Haus seiner Mutter.

Der Ire scheint dem Serben den Weg in eine Zukunft auf der grünen Insel zu bereiten. Doch der Schein trügt. Stück für Stück bemerkt der Neuankömmling, dass es auch im Hause Concannon düstere Schatten gibt. Kevin neigt zum gewalttätigen Ausrasten, bringt dadurch seinen neuen Freund zum eigenen Vorteil arg in Bedrängnis. Die irische Familienfassade bröckelt vor Vids Augen. Die Freundschaft zerbricht. Dennoch oder gerade aus diesem Grund sind beide Männer veränderungsfähig. Jeder startet auf seine Weise einen (weiteren) Neuanfang.

Hugo Hamiltons Roman "Der irische Freund" ist sehr familienbezogen, insofern typisch irisch, und zudem ein wenig europäisch. Er handelt von Menschen, die ausziehen, um ihre Vergangenheit zu bewältigen. Der eine tut dies, indem er seine Heimat verlässt und sich auf unbekanntem Terrain erinnert, der andere, indem er schließlich über den eigenen Schatten springt. So hoffnungslos die Personen teils durch Höhen und Tiefen zu gehen scheinen, so hoffnungsvoll finden sie letztlich ihren Ausweg. Nüchtern, manchmal ein bisschen kurz angebunden, mitten aus dem Leben heraus, vielleicht typisch männlich, lässt Hugo Hamilton die Handlung ablaufen. Die ganz großen Gefühle sind sein Ding nicht. Eher das Flüchtige, Beiläufige, Selbstverständliche. Und dennoch ist das Werk zutiefst menschlich, anrührend, lesenswert.

Hugo Hamilton:
"Der irische Freund"

Luchterhand, München 2011, 19,99 Euro


Siegener Zeitung (06.07.2011)
Internet: www.siegener-zeitung.de
Bildquelle: Foto von Mike Wolff

Siegener Zeitung

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