Bad Berleburg. (bea) Ganz fein streicht der Bogen über die Saiten, ein vorsichtiger, fast lautloser Ton bricht in die Stille und doch fängt er den Saal ein. Dem Schweizer Claudio Puntin (Klarinette, Bassklarinette) und der Isländerin Gerður Gunnarsdóttir (Violine, Gesang) genügten am Samstagabend Violine, Klarinetten und eine klare, einzigartige Stimme, um den Zuhörern auf Schloss Berleburg die eisigen isländische Winternächte in die Köpfe zu zaubern.
"Ýlir" heißt der Wintermonat in Island, der die längsten und kältesten Nächte birgt. Er war für die beiden Musiker Inspiration genug, um 2001 ein Album zu produzieren, aus dem sie am vergangenen Samstag im Berleburger Schloss einzelne Stücke vortrugen. Eigenkompositionen, Improvisationen und isländische Folklore bildeten das Programm "Essence of North" (dt.: "Wesen des Nordens"), dem es an Abwechslung und Fülle nicht fehlte. Es war die einzige musikalische Veranstaltung im Rahmen des 18. Literaturpflasters zum Thema "Sagenhaftes Island" und doch war der Zuhörerraum nur spärlich besetzt. Die besondere Atmosphäre litt jedoch nicht darunter und mit jedem Stück kamen neue Elemente hinzu, die immer mehr Facetten der magischen Inselwelt zeigten. Zwischendurch schmückte das Duo sein Programm mit kurzen Anekdoten: "Wenn sich zwei Isländer auf der Straße treffen, dann sagt der eine: 'Was ist los hier? Es regnet und regnet...', und der Andere: 'Wenn dir das Wetter nicht passt, dann warte zehn Minuten'", meinte Claudio Puntin zwischen den Stücken. In dem selbstkomponierten Jahreszeitenzyklus des Schweizers war diese Abwechslung nicht zu überhören. Sanfte, kühle Passagen wechselten mit lauten, fröhlichen Sequenzen und der schnelle Wechsel zwischen Klarinette und Bassklarinette rundete den ungewöhnlichen Sound ab. Hierbei flossen Elemente von Jazz und Rock in die Kompositionen mit ein. Kurz vor der Pause gerieten die Zuhörer noch einmal ins Schmunzeln, als das Musikerpaar mit den Instrumenten das Schmelzen von Eis imitierte, was nach einer "attacca" direkt in ein isländisches Schlaflied überging.
Mit dem Kratzen des Bogens über die Violinsaiten ließ Gunnarsdóttir das Eis brechen, Puntins Klarinette zauberte Vogelzwitschern und unruhiges Wasser hinzu. Dies endete in der isländischen "Sage eines verlorenen Kindes". "Seitdem wir Kinder haben, wissen wir, dass Schlaflieder auch anders klingen können", lachte Claudio Puntin, und auch die Tochter auf der Treppe des Schlosses, konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
Als Höhepunkt trug Gerður Gunnarsdóttir mit klarem, aber flüsterndem Gesang Poesie des isländischen Literaturnobelpreisträgers Halldór Laxness vor. "Hvert örstutt spor" (dt.: "Jeder kleine Schritt") nannte sich das Gedicht, das Puntin mit der Bassklarinette begleitete. Nach knapp zwei Stunden verließen die beiden Musiker verträumt und spielend den Konzertsaal, bevor sie ihren wohlverdienten "Literaturpflasterstein" vom Vorsitzenden der Kulturgemeinde, Otto Marburger, entgegennahmen. Die Meinungen des Publikums waren hinterher zwar geteilt, doch selten negativ. "Es war mal etwas Anderes", "man musste sich darauf einlassen", hörte man einzelne Zuhörer.