Niederländer Bert Wagendorp
las beim Literaturpflaster

"Berg der Midlife-Crisis"

Bert Wagendorp in Bad Berleburg, gemeinsam mit der 'deutschen Stimme' des Leseabends, Marlen Jourdan. (SZ-Foto: Guido Schneider)

Bad Berleburg. (schn) Bert Wagendorp, niederländischer Journalist, Kolumnist, Radfahrer und Radrennsportfan, hat mit "Ventoux" aus einem Drehbuch für einen Film einen Roman gemacht. Der Roman erschien 2013 in den Niederlanden, wurde zum Bestseller und liegt inzwischen auch in deutscher Übersetzung vor. Am Montagabend las Bert Wagendorp im Rahmen des Bad Berleburger Literaturpflasters in der Verpackungshalle der Berleburger Schaumstoffwerke.

Die Geschichte beginnt im Jahr 2010 mit einem Prolog, der Erzähler Bart Hoffmann, wie Wagendorp ebenfalls Journalist, kramt ein Foto hervor, das ihn und seine Freunde André, David, Joost, Peter und Laura auf einem Campingplatz in der Provence am Fuß des Mont Ventoux im Sommer 1982 zeigt. Schon nach den ersten Sätzen ist klar, der Autor hat hier eine Menge Biografisches verarbeitet. Das gibt er im Gespräch mit den Gästen auch unumwunden zu: "Jeder Autor verarbeitet in seinen Werken Biografisches. Es gibt tatsächlich auch ein Bild von mir und meinen Freunden, von 1973 am Möhnesee. Allerdings ohne Laura."

Laura ist das Mädchen, das die Freundschaft zwischen den fünf Jungs an der Grenze zur Erwachsenenwelt mächtig durcheinanderbringt. Wortreich beschreibt Bert Wagendorp, wie die Gruppe das Mädchen im Schwimmbad kennenlernt, wie sie schnell in die Gruppe aufgenommen wird, wie Laura die Jungs zu Gockeln macht und sich langsam die Eifersucht zeigt, ausgelöst von der Verliebtheit aller in Laura.

In Rückblenden erzählt der Roman zwei Geschichten, eine 1982, die andere 30 Jahre später, und man liest eine Charakterstudie der handelnden Personen. Bart ist Gerichtsreporter, geschieden, mit einer Leidenschaft für den Radrennsport und einer fast erwachsenen Tochter. André, ein gerade freigesprochener Krimineller aus dem Drogenmilieu, hat einen Vater, der ein bekannter Radamateur war. David mit Wurzeln in der ehemaligen niederländischen Kolonie Suriname betreibt ein Reiseunternehmen in der Heimatstadt der Freunde, und Joost ist ein genialer Physik-Professor. Dazu kommt noch Peter, der Sohn eines Bordellbetreibers, der auf dem Bordellschiff seiner Eltern aufwächst und der Dichter der Gruppe ist. Alle stehen an einem Scheideweg in ihrem Leben, wollen oder müssen sich neu ausrichten. Bart hat das Schreiben satt, Davids Reisebüro läuft nicht mehr gut, und Joost sieht sich dem Vorwurf des Plagiats gegenüber. Dazu passt, dass sie alle auf den Mount Ventoux wollen, "den Berg der Midlife-Crisis", wie in Bert Wagendorp nennt. Hier wollen sie es sich noch einmal beweisen, eingeladen von Laura, nach 30 Jahren.

"Ventoux" ist ein bildreicher, lesenswerter Roman, von einem Autor mit einem scharfen Auge für Details. Dass er auch im Deutschen Vergnügen macht, liegt an der ausgezeichneten Übersetzung von Andreas Ecke.

Das Literaturpflaster ist indes um einen weiteren Veranstaltungsort reicher: die Produktion von BSW. Organisatorin Rikarde Riedesel freute sich über die Location, passend zum sportlichen Thema des Abends. Auch wenn "Ventoux" kein Sportroman ist, wie viele Männer in den Niederlanden dachten.

Von Guido Schneider


Siegener Zeitung (26.10.2016)
Internet: www.siegener-zeitung.de
Bildquelle: SZ-Foto von Guido Schneider (schn)

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