Girkhausen. Die wunderbare Berleburger Reihe "Literaturpflaster" orientiert sich alljährlich am Gastland der Frankfurter Buchmesse und verbindet im Herbst unterschiedlichste Veranstaltungen in der Bandbreite von landestypischen Kochkursen über Konzerte und Ausstellungen bis hin zu Lesungen. In diesem Jahr geht es um die Niederlande und Flandern, also die Ecken Europas, wo man Niederländisch spricht, auch wenn das belgische Niederländisch gern Flämisch genannt wird. Am Mittwochmorgen waren Ingrid und Dieter Schubert im Girkhäuser Zwergenland - und auch wenn sich ihre Namen überhaupt nicht niederländisch anhörten, machten sie doch den Evangelischen Kindergarten in Girkhausen zum Teil des großen Literaturpflasters 2016. Auf dem Wittgensteiner Besuchsprogramm des Ehepaars Schubert standen auch noch der Arfelder AWo-Kindergarten sowie die Familienzentren "Blauland" in Raumland und "Laubfrosch" in der Berleburger Kernstadt.
Die vertraut klingenden Namen der Schuberts kommen daher, dass die zwei tatsächlich in Deutschland geboren wurden. Aber Wikipedia-Einträge hat das Schriftsteller- und Zeichner-Ehepaar nur auf Niederländisch. Da steht auch, dass sie bereits 1980 ihr Buch "Er ligt een krokodil onder mijn bed" gemeinsam veröffentlicht haben. Das Buch über das Krokodil unterm Bett gibt es auch auf Deutsch und auch im Zwergenland, dort jetzt sogar mit den Unterschriften der beiden Autoren und Illustratoren. Aber um das Buch ging es gar nicht bei dieser Lesung, die so richtig auch gar keine Lesung war. Zunächst musste geklärt werden, wie alt die 15 Mädchen und Jungen ungefähr waren. Da passte es gut, dass Raphael genau an diesem Tag seinen fünften Geburtstag hatte. Nachdem die großen Gäste ein niederländisches Geburtstagslied gesungen und ihm mit niederländischen Wörtern, die man kaum nachsprechen konnte, gratuliert hatten, war klar, dass die beiden sehr gute Vertreter fürs Niederländisch waren. Danach erzählten sie erstmal eine Geschichte, in der kein einziges Krokodil vorkam. Stattdessen ganz viele Mäuse und ein Elefant, aus dem die kleinen Nager eine Suppe machen wollten. Der gutmütige Dickhäuter spielte lange mit, drei Tage lang saß er in einem Riesentopf und rührte die Suppe mit ihm als Hauptzutat um. Am Ende wurde niemand gefressen, aber alle hatten zusammen Spaß und auch die traurige Maus vom Beginn der Geschichte lachte wieder mit Freunden. Lustige Bilder aus dem Computer, die Dieter Schubert an die Leinwand warf, illustrierten die Geschichte. Schnell begriff man, weshalb Ingrid Schubert ganz am Anfang die Kinder unverbindlich gefragt hatte, ob eigentlich schon mal jemand von ihnen ganz traurig gewesen sei.
Und danach bewiesen die beiden, wie gut sie tatsächlich zeichnen können. Denn nachdem Dieter Schubert ein Meer aufs große Plakat an der Flipchart gemalt hatte, kam von den Kindern schnell der Wunsch "Mach‘ doch mal ein Krokodil". Gesagt, getan. Nach und nach ergänzten die beiden Künstler ganz nach den Wünschen der Kinder das Bild. Es erschienen unter anderem ein Frosch in Badehose, ein fliegendes Nilpferd im Ballettröckchen, eine zaubernde Meerjungfrau, ein Steinbock, eine Sonne, die die Zunge rausstreckt, zwei Schäfchen-Wolken mit Beinen und ein Hai. Den musste Herr Schubert allerdings nochmal gefährlicher malen, weil Frau Schubert erstmal fand, dass der ja eigentlich nur wie ein Karpfen mit Zähnen aussehe. Die Mädchen und Jungen freuten sich über das verrückte Gemälde, das entstand, die anwesenden Kindergarten-Mitarbeitenden - es waren nicht nur Frauen - freuten sich auch darüber, wie die Eheleute miteinander sprachen. Am Ende gab es ein vollgemaltes Bild mit einem leeren Surfbrett. Und da sollen jetzt die Kinder überlegen, was drauf passt. Da könne ja mal jeder ein eigenes Bild malen, fanden Schuberts. So war die Veranstaltung besser als jede Lesung aus einem fertigen Buch: Mit dem Nachwuchs zusammen war durch das Bild eine eigene Geschichte entstanden, für die sich jedes Kindergartenkind mit Phantasie und Buntstiften jetzt eine eigene Fortsetzung überlegen kann - denn die Künstler ließen ihr einmaliges Werk natürlich im Zwergenland.
Von Jens Gesper