Saskia De Coster las im Rahmen
des Berleburger Literaturpflasters
aus ihrem Familienroman
"Wir und Ich"

Eine schrecklich seltsame Familie

Im Rahmen des Berleburger Literaturpflasters präsentiert Saskia de Coster (Mitte) eine Lesung zum Buch 'Wir und ich'. Begleitet wird sie dabei von Musikerin Inne Eysermans (rechts) und Veranstalterin Rikarde Riedesel (links). (WP-Foto: Patrick Friedland)

Bad Berleburg. Saskia De Coster las im Rahmen des Berleburger Literaturpflasters aus ihrem Familienroman "Wir und Ich". Die befreundete Musikerin Inne Eysermans liefert zwischendurch interessante musikalische Beiträge.

Ihren ersten Ausflug nach Wittgenstein bezeichnet Saskia De Coster als "Experiment". Die Belgierin ist von sonstigen Lesungen doch deutlich größere Orte und Audienzen gewohnt, noch vor wenigen Tagen las sie auf der Frankfurter Buchmesse. Nach einer etwas beschwerlichen Anreise mit zahlreichen Zugverspätungen zeigt sich die 40-jährige Schriftstellerin dann aber doch bester Laune, als sie im Rahmen des Berleburger Literaturpflasters im Autohaus Kroh Auszüge aus ihrem Familien- und Gesellschaftsroman "Wir und ich" vorliest.

Die Probleme der Superreichen

Dieser spielt in einer schwerreichen Dorfregion in Flandern. Eine bewusste Entscheidung seitens der Autorin, welche "nicht schon wieder nur über die Arbeiterklasse schreiben wollte." Dass aber auch das Leben in Saus und Braus immer wieder größere Probleme mit sich bringt, stellt de Coster in "Wir und ich" in den Fokus. Dabei helfen ihr zahlreiche schrullige Charaktere, die zusammen die Familie Vandersanden bilden.

Die neurotisch veranlagte Mutter Mieke kämmt zur Entspannung Teppichfransen, Vater und Hobbygitarrist Stefaan ist ein freiheitsraubender Kontrollfreak und wäre so gerne Bob Dylan, der Onkel ist Häftling auf Freigang und die Oma hat vor allem ihre alte Ziegenherde im Kopf. Und dann ist da zu allem Überfluss auch noch Tochter Sarah, die eigentlich nur aus ihrer verkorksten Umwelt raus will, stattdessen aber gezwungen wird, Besuch von ihren Freundinnen zwei Wochen im Voraus anmelden zu müssen.

Zahlreiche Zutaten für eine spannende Geschichte. Diese erstreckt sich auf 409 Seiten über 30 Jahre und ist gespickt mit Ironie der manchmal auch etwas deftigeren Art. Da werden beispielsweise die ersten verzerrten wie dilettantischen Gitarrenspielversuche Sarahs als so laut beschrieben, dass die völlig entnervte Mieke "nicht mal mehr ihre eigenen Fürze hört." Doch auch traurige Aspekte des Familienlebens kommen in der Geschichte nicht zu kurz. Emotional aufwühlend beschreibt De Coster den sich immer stärker verformenden Charakter von Stefaan. Dieser stellt die finanzielle Sicherheit der Familie über alles – seine ambitionierten Lebensziele erreicht er aber nie. Die Folge: Zunehmende Depression.

Atmosphärische Untermalung

Der kurzweilige Charakter der Lesung ist aber nicht nur der launigen Erzählung De Costers zu verdanken. Begleitet wird die Autorin von der Musikern Inne Eysermans, die sonst bei der belgischen Band "Amatorski" am Mikro steht. In Bad Berleburg lässt sie aber die Maschinen für sie singen. Düster-atmosphärische Klangkulissen erfüllen minutenlang den Raum, De Coster trägt dazu persönliche Gedichte vor. Den Wunsch nach einer Zugabe muss Eysermans mangels Speicherkapazitäten in ihren Geräten diesmal leider verneinen. Doch nach 90 Minuten lautet das Gesamtfazit: Experiment gelungen!

Von Patrick Friedland


WESTFALENPOST (24.09.2016)
Internet: www.derwesten.de/staedte/bad-berleburg/
Bildquelle: WP-Foto von Patrick Friedland

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