Bad Berleburg. Nach knapp zwei Monaten voller gut besuchter Veranstaltungen ist das 23. Berleburger Literaturpflaster nun Geschichte. Zeit, ein Fazit zu ziehen, aber auch schon einmal den Blick in die Zukunft zu werfen. Rikarde Riedesel, ihres Zeichens Abteilungsleiterin für Kultur und Erwachsenenbildung der Stadt Bad Berleburg, ist seit erster Stunde Mitglied im Organisations- und Planungsteam des Festivals, moderiert jedes Jahr mehrere Termine und erzählte bei einer Tasse Kaffee über ihre Arbeit.
Frau Riedesel, das 23. Berleburger Literaturpflaster ist nun zu Ende. Nun dürfte es auf der Arbeit wieder etwas ruhiger werden...
Rikarde Riedesel: Ich bin noch nicht ganz durch, ein bisschen Nacharbeit ist noch zu erledigen. Die ausgestellten Bilder gehen zurück nach Antwerpen zur Leihstelle, es müssen noch einige Abrechnungen, unter anderem in Sachen Steuern und Künstlersozialkasse, erledigt werden und den Pressespiegel werden wir auch noch mal pflegen. Die Künstler, Literaten, Sponsoren und Gastgeber bekommen auch noch Post mit einem herzlichen Dankeschön.
"Die Autoren fühlen sich hier jedes Mal wohl und haben ein interessiertes Publikum."
Rikarde Riedesel über die besondere Atmosphäre in Berleburg
Was macht für Sie die Faszination Literaturpflaster aus?
Diese Veranstaltungsreihe unterscheidet sich schon von anderen Literaturfestivals, weil so viel über individuelle Betreuung und ein lebendiges Netzwerk läuft. Ein Netzwerk aus Veranstaltergemeinschaft, Organisationsteam, Sponsoren, Veranstaltungsorten, welches das Festival trägt, sich damit identifiziert und so auch einfach viel mehr möglich macht. Für das Organisationsteam ist es immer ganz wichtig, dass es diese Mitstreiter in der Geschäftswelt, in den Firmen, in den Institutionen gibt. Nur gemeinsam ist das Literaturpflaster das Literaturpflaster. Und wir haben ein tolles Publikum. Das alles gibt dem Festival eine besondere Atmosphäre und diese nehmen die Autoren und Referenten mit. Die fühlen sich hier jedes Mal wohl, angenommen und haben ein interessiertes Publikum. Wenn sie dann nach Hause fahren, sagen viele: "Nach Berleburg möchte ich nochmal hin." Gerade dieses Jahr haben wir das häufig gehört. Und wenn sich ein Autor wohlfühlt, dann ist es eine andere Veranstaltung, das merkt auch das Publikum. Hier wird jeder Gast persönlich von einer Person betreut, vom Bahnhof abgeholt, zum Hotel und wieder zurück gefahren. Das Niveau ist international, da brauchen wir uns nicht verstecken.
"Wir wollen die Abwechslung im Programm hochhalten."
Rikarde Riedesel über die Auswahl der Autoren und Veranstaltungen
Es fällt auf, dass bei der Auswahl der Veranstaltungsorte auch mal Lokalitäten ausgesucht werden, die auf den ersten Blick eher abwegig erscheinen.
Bert Wagendorp las zum Beispiel in der Verpackungshalle des Schaumstoffwerks. Ich fand das so cool. Man hatte diese riesige Halle, beim Reinkommen dachte man: "Äh... hier findet eine Lesung statt?", aber das Team von BSW hat uns dort eine richtig schöne kuschelige Ecke eingerichtet. Es war brechend voll, wir hatten ja noch mit Bierbänken nachgerüstet. Auch das macht das Literaturpflaster aus.
Wie bewerten Sie die diesjährigen Besucherzahlen?
Wir waren mit den Besucherzahlen sehr zufrieden. Sie können das aber nicht jedes Jahr vergleichen. Ein Beispiel: Multivision. Die zieht unheimlich Leute, da kommen in der Regel über 150 Besucher. Dann haben wir das auch noch mal für die Schulen angeboten, so dass wir mit einer Multivision circa 400 Leute erreichen. Bei den Niederlanden hat sich dies nun nicht ergeben, im nächsten Jahr haben wir aber wieder eine Multivision im Programm, diese ist schon gebucht. Bei Veranstaltungen wie den Kochkursen, die mit 13 Leuten ausgebucht sind, oder der Käseverkostung mit 25 Personen passen zudem einfach nicht mehr rein.
In diesem Jahr standen auch viele Termine nur für Kinder und Jugendliche auf dem Programm. Hat sich dies gelohnt?
Die Kinder waren völlig fasziniert und angetan, je nach Altersstufe ist es uns gelungen, die Richtigen zu finden. Auch die Kindergarten-Erzieherinnen waren begeistert. Versuchen Sie mal, einen Siebtklässler für das Lesen zu begeistern. Mirjam Mous zum Beispiel kann das. Die Schüler hingen ihr an den Lippen. Für das Literaturpflaster ist es natürlich auch wichtig, die nächste Generation zu erreichen.
Welche Veranstaltung gefiel Ihnen denn persönlich am Besten?
Mich selbst haben die Lesungen von Stefan Boonen sehr begeistert, auch in Kombination mit dem Künstler Tom Schoonooghe. Ich war mit den beiden in allen Grundschulen, es war beeindruckend zu sehen, wie Boonen die Kinder "gekriegt" hat.
Wie gehen Sie eigentlich bei der Auswahl der Künstler vor?
Häufig kriegen wir die Autoren von den Verlagen angeboten. Dann bitte ich um Leseexemplare oder zumindest um Fahnen, um zu gucken, ob es passt oder nicht.
Was würde denn nicht passen?
Seichte Literatur würde ich ungern mit hinein nehmen. Das heißt aber jetzt nicht, dass wir nur verkopfte Sachen ins Programm bringen. Ich möchte die leichte Literatur jetzt auch nicht schlechtreden, aber für das Literaturpflaster sollte das Buch schon in dem jeweiligen Genre gut sein. Wir wollen ja auch die Abwechslung hoch halten, verschiedene Stilrichtungen sind ganz wichtig. Dem Anspruch, dass das Publikum einen interessanten Abend erlebt, müssen wir uns als Organisationsteam stellen.
Sie sind schon seit Beginn des Literaturpflasters im Jahre 1994 Teil des Organisationsteams. Wie lange soll es noch gehen? Stellt sich nicht irgendwann ein "Arbeiten nach Schema F" ein?
Mein Renteneintrittsjahr ist 2032. Entweder geht es bis dahin, länger oder kürzer, da kann ich jetzt keine Prognose abgeben. Die Motivation ist da wie eh und je. Und ein Arbeiten nach Schema F kommt beim ganzen Team einfach nicht auf. Es ist jedes Jahr ein neues Land, teilweise auch eine ganz andere Literatur, wie im letzten Jahr Indonesien. Natürlich weiß man irgendwann, was man wie abzuwickeln hat und wen man ansprechen muss. Aber wenn ich zum Beispiel eine Moderation mache, ist das absolut spannend. Ich habe den Roman gelesen, weiß aber absolut nicht, was für eine Persönlichkeit sich hinter dem Autor verbirgt. Die eine Stunde, die wir mit den Künstlern haben, wenn wir sie vom Bahnhof abholen, ist uns ganz wichtig. Ich muss wissen, was das für ein Typ Mensch das ist. Muss ich bei meiner Moderation Gas geben, weil der Autor die Zähne nicht auseinander bekommt oder ist es ein "Dampfplauderer", den ich bremsen muss? Es ist wichtig, eine Verbindung, einen Austausch zwischen Publikum und Autor aufzubauen.
Haben Sie eine besondere Anekdote von diesen "Kennenlern-Fahrten" auf Lager?
Eine schöne Situation habe ich mit dem Isländer Hallgrímur Helgason erlebt. Die Gespräche finden mit unseren internationalen Gästen häufiger auf Englisch statt. Wir saßen im Auto und er fragte mich, ob wir denn einen "Head Shop" (Geschäfte, die Tabak, Wasserpfeifen und weitere Rauchwaren, u.a. auch zum Marihuana-Konsum, anbieten, d. Red.) in Berleburg hätten. Und ich dachte nur: "Oh je, was will der jetzt rauchen?" Kurz darauf merkte ich aber, dass er eigentlich einen "Hat Shop" (dt. Hutladen, d. Red.) aufsuchen wollte, Hallgrímur Helgason ist nämlich Hutträger und hatte seinen Hut bei einer anderen Literaturveranstaltung in Zürich vergessen. Dann sind wir in ein Geschäft gegangen und er fragte mich ständig: "Steht mir das?" Da er sonst eher Homburger-Hüte trägt und die Mützen in diesem Laden eine deutliche Typveränderung bedeutet hätten, rief ich Gerd Gerhard (Initiator des Literaturpflasters, d. Red.) an. Er ließ ihn dann fünf seiner Hüte ausprobieren, Helgason war völlig begeistert.
Das Thema des Berleburger Literaturpflasters ist ja immer an das der Frankfurter Buchmesse angelehnt. Wie läuft da die Zusammenarbeit?
Die Kooperation läuft super gut. Die Verantwortlichen dort stellen für uns den Kontakt zum nächsten Gastlandskomitee her, wir werden auf deren Internetseite sogar beworben. Wir haben das Literaturpflaster bewusst auf das Thema der Frankfurter Buchmesse ausgerichtet, weil dann die Autoren auch schon in Deutschland und die Aufmerksamkeit der Medien größer sind. Als wir dies das erste Mal gemacht haben, hatten uns die Leute noch für verrückt erklärt. "Fremde Autoren? Da kommt doch keiner hin!". Die Leute kamen aber (grinst).
Lassen Sie uns zum Schluss noch ein wenig in die Zukunft blicken. Wie weit fortgeschritten sind denn bereits die Planungen für 2017? Dort wird ja Frankreich das große Thema sein...
Einen Autoren haben wir schon fest, den Namen möchte ich noch nicht herausgeben. Wie gesagt, eine Multivision haben wir schon terminiert. Standardbausteine wie eine Weinverkostung sind natürlich dabei. Vielleicht gibt es auch wieder eine Käseverkostung. Einer aus dem Publikum hat dieses Jahr schon scherzhaft gefragt, ob die Karten auch für das nächste Jahr gelten. (lacht)
Die Fragen stellte Patrick Friedland
Zahlen und Fakten zum 23. Literaturpflaster
Insgesamt 19 verschiedene Veranstaltungen mit 31 Terminen zum Thema "Flandern und die Niederlande" fanden zwischen dem 2. September und 31. Oktober statt.
2206 Besucher zählten die Verantwortlichen um das Organisations-Team, bestehend aus: Rikarde Riedesel, Bettina Born, Ulla Belz, Jens Gesper, Christoph Haupt, Marlen Jourdan und Otto Marburger.
KURZ & KNACKIG
Grönemeyer oder Lindenberg?
Weder noch
Katze oder Hund?
Beides
Schiller oder Goethe?
Bert Wagendorp
Kaffee oder Tee?
Kaffee
Berge oder Strand?
Im Winter Strand, im Sommer Berge
S04 oder BVB?
Fußball ist für mich ganz weit weg