Adriana Lisboa las in der Backstube
des Berleburger Cafés Wahl

Maxime ist Totschweigen

Freute sich über den Literatur-Pflasterstein: Autorin Adriana Lisboa (l.), die von der Berleburger Kulturmacherin Rikarde Riedesel beschert wurde. (SZ-Foto: Guido Schneider)

Bad Berleburg. (schn) Adriana Lisboa, geboren 1970 in Rio de Janeiro, wird für ihre facettenreiche und verspielte Sprache gelobt. Die preisgekrönte Autorin setzt ihr sprachliches Talent sehr bewusst ein, um in ihren Romanen Bilder zu zeichnen. Das machte sie am Montagabend beim Literaturpflaster in Bad Berleburg deutlich. In der Backstube des Cafés Wahl stellte sie ihr Buch "Der Sommer der Schmetterlinge" vor.

In der Beschreibung der Charaktere habe sie den Fokus auf die Details gerichtet. "Das hat mich gereizt", sagt die Autorin. Was im Original funktioniert, lässt sich in der Übersetzung in eine andere Sprache oft schlecht umsetzen. Doch in diesem Fall hat sich der Verlag bei der Übertragung ins Deutsche viel Mühe gegeben. Die Textpassagen, am Montagabend gelesen von Marlen Jordan, spiegelten die Detailverliebtheit der Autorin wider. Mit Akribie beschreibt Adriana Lisboa auch Kleinigkeiten, ja beinahe Nebensächlichkeiten, die sich zu einem großen Bild zusammensetzen und eine immense Dichte ergeben. Diese Dichte braucht es wohl auch im "Sommer der Schmetterlinge", denn die Charaktere sind keine gradlinigen Menschen, sie haben Ecken und Kanten, sind gebrochene Charaktere, geformt durch ihre Umwelt.

Im Zentrum der Geschichte stehen die Schwestern Calrice und Maria Ines, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Die eine ist angepasst, sucht ihr Leben lang nach der Anerkennung der Mutter, wird vom Vater missbraucht und bekommt doch nie das, wonach sich ihr Herz sehnt. Ihre jüngere Schwester, Maria Ines, dagegen ist resolut, aufmüpfig, stark und risikobereit, und doch ist auch sie ein gebrochener Mensch. Über alle dem schwebt das Schweigen, das Schweigen, das die Familie beherrscht und gleichzeitig entzweit. Die dunklen Geheimnisse der Familie werden nicht angetastet, nicht angesprochen – Totschweigen ist die Maxime.

Von Guido Schneider


Siegener Zeitung (16.10.2013)
Internet: www.siegener-zeitung.de
Bildquelle: SZ-Foto von Guido Schneider (schn)

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