Bad Berleburg. (mst) Im Rahmen des Literaturpflasters Bad Berleburg war jetzt im voll besetzten Amtsgericht der Stadt mit Patrícia Melo die wohl bekannteste Krimi-Autorin Brasiliens zu Gast. Sie stellte ihren elften Roman, "Leichendieb", vor, der weit mehr ist als ein Krimi. Vielmehr handelt es sich um die Sozialstudie des namenlosen, entscheidungsschwachen Ich-Erzählers. Den inhaltlichen Rahmen bildet die in Südamerika vielerorts gegenwärtige Rauschgift-Mafia, zu der die Autorin im Vorfeld ausgiebig recherchiert hat.
Otto Marburger, Vorsitzender der Bad Berleburger Kulturgemeinde, hieß Patrícia Melo und Übersetzerin Bárbara Mesquita herzlich willkommen. Melo selbst, die 2011 mit dem Dirigenten und Komponisten John Neschling an den Luganer See auswanderte und eine 23-jährige in Paris lebende Tochter aus einer früheren Ehe hat, beließ es an diesem Abend bei einem kurzen Auszug aus dem 23. Kapitel ihres Buches, um den Gästen die Schönheit des brasilianischen Portugiesisch zu Gehör zu bringen. Marburger, der schon zuvor einen kurzen Überblick über den Roman gegeben hatte, trug anschließend eine längere Passage der deutschen Übersetzung vor. So erhielten die Zuhörerinnen und Zuhörer einen kleinen Einblick in den "Leichendieb", der zum Beispiel zwischen dem "Projekt Fersengeld" und dem "Projekt Familie" schwankt, eine Erpressung mit einer vermeintlichen Wasserleiche aus einem Fluss plant, dessen tierische Bewohner jedes Stück Fleisch in Minutenschnelle verzehren würden, oder mit einem "dreckigen, originären Slip, der alles kaputt macht" konfrontiert wird. Überhaupt wurde schnell klar, dass die kurze "tolle" (Marburger) Sprache stilistisch charakteristisch für den Roman ist. Dabei erläuterte Patrícia Melo, dass diese – nachdem ihr bei ihren ersten Büchern ein "Hackstil" attestiert wurde – schon melodischer geworden sei.
Die Autorin nahm anschließend die Gelegenheit wahr, um mit Bárbara Mesquita, Otto Marburger und dem Auditorium in Dialog zu treten. Neben dem Interesse am Protagonisten, der trotz des "Kreislaufs aus Irrsinn und Gewalt" immer noch ein Stück weit liebenswert sei, nahm Melo auch noch zu ihrer Einordnung in die "Krimi"-Schublade Stellung. Klassischerweise gehören zu einem Kriminalroman "ein Verbrechen, ein Verbrecher und ein Detektiv", ihr Roman aber enthalte "kein Verbrechen, sondern nur Leichen". Es sei ihr bei ihrem aktuellen Buch vielmehr darum gegangen, neben der Komplexität des Menschen vor allem den Aspekt der Verluste zu thematisieren: des Verlusts der Perspektive, aber auch vor allem der moralischen Werte und schlussendlich der physischen Existenz.
Am Tag nach der Lesung in Bad Berleburg – wo sie und die Übersetzerin mit einem Pflasterstein beschert wurden – durfte Patrícia Melo auf der Buchmesse als 25. Autorin den "LiBeraturpreis" entgegennehmen!
Von Marcel Strack