Bad Berleburg. (ahe) In 80 Tagen um die Welt! Was Ende des 19. Jahrhunderts noch als kühne Wette des englischen Exzentrikers Phileas Fogg galt, würde heute wohl kaum mehr jemanden herausfordern. Deshalb haben Simone Blauth und Ita Kirsch einen anderen Ansatz gewählt, um ein nicht weniger ehrgeiziges Projekt in die Tat umzusetzen. Das weitgereiste Fotografenehepaar aus Novo Hamburgo in Brasilien hatte die Absicht, den ersten Bildband über den gesamten Küstenstreifen ihres Heimatlandes herauszubringen. Dafür sind sie acht Monate mit dem Auto den 23.000 Kilometer langen Küstenstreifen von Süden nach Norden abgefahren. Dabei entstanden rund 40.000 Aufnahmen, von denen nun 140 in dem Bildband "Costa do Brasil" zusammengetragen vorliegen.
Sie hätten aber nicht nur ihr Buch "geschafft", erklärt die quirlige Fotografin am Eröffnungsabend, sondern auch die Schönheit und Vielfalt ihres Landes kennen- und schätzen gelernt. Und diese Faszination für das eigene Land nun an andere weiterzugeben, sei dann der eigentliche Motor für ihre Reise nach Europa gewesen. Die etwa 80 ausgestellten Fotografien, die jetzt in den Räumen der Sparkasse Wittgenstein zu sehen sind, bestätigen das und fordern den Betrachter gerade dazu heraus, ein Land näher kennenlernen zu wollen, das aus Sicht des guten, alten Europa doch vor allem als historisches Auswanderungsland gilt, und heute als Land der Fußballhelden, des Karnevals und der Drogen oder als lukrativer Wirtschaftsstandort.
Tektonische interessante Küstenstreifen aus der Luft aufgenommen, das Meer in Duschdasblau und Türkisgiftgrün, spritzende Gischt, so satt und klar wie frische Milchtropfen, sandige Buchten und Palmenstrände, soweit das Auge reicht, mal bewohnt, mal scheinbar vollkommen unberührt. Die Bilder erzählen Geschichten eines Landes, das vor Sattheit, Fülle und Schönheit nur so strotzt. Die Ausstellung ist thematisch in vier Abschnitte gegliedert, die sich an den vier Küstenregionen orientieren. Über die Küste des Südostens gibt es eine Anekdote: Sie besagt, dass der liebe Gott, als er Himmel und Erde schuf, beim Schöpfungsakt von Brasilien langsam müde wurde und deshalb die Südspitze Brasiliens bis hinunter nach Patagonien ziemlich rasch spitz auslaufen ließ. Der 1955 geborene Ita Kirsch ist Reise- und Reportagefotograf. Seine Spezialität sind die großen Panoramen, die großformatigen Luftaufnahmen der Küstenstreifen, die durch seinen Blick eine eigene Struktur entwickeln und durch die Wahl seiner Ausschnitte eine unmittelbare Spannung erzeugen.
Simone Blauth ist Jahrgang 1962 und Fotojournalistin. Sie erarbeitet fotografische Essays für Zeitschriften, Websites und Blogs. Ihre Augen fokussieren mehr das Detail. Ihre Makroaufnahmen zeigen die Spuren filigraner Meeresbewohner im Sand, die bunte Farbenpracht in Flora und Fauna oder die Farbigkeit eines alten Schwemmholzpflocks, an dem ein kleiner Junge wie eine Galionsfigur Halt sucht an einem ansonsten leeren Strand.
Die Ausstellung ist bereits die zweite Fotoausstellung des diesjährigen 20. Literaturpflasters, das sich analog zur Frankfurter Buchmesse dem Gastland Brasilien widmet. Die Stadtkustodin Rikarde Riedesel hat auch diese Ausstellung mit viel Geschick konzipiert. Am Eröffnungsabend führten Hausherr Christoph Helmschrott und die neue Schmallenberger Kulturreferentin und Kunsthistorikerin Andrea Brockmann in die Ausstellung ein. Der Romanheld Phileas Fogg aus Jules Vernes "Reise in 80 Tagen um die Welt" kam nicht bis Brasilien. Aber er gewann seine Wette und, was vielleicht noch mehr wiegt, er fand seine große Liebe. Die Liebe zu ihrem Land und somit auch zu ihren Wurzeln haben Ita Kirsch und Simone Blauth auf ihrer entschleunigten Reise sicher auch gefunden.
Zumindest zeugen ihre Fotografien davon: Sie sind eine satte Liebeserklärung in Stationen. Und wer nun über die Bilder ins Träumen geraten ist, aber auch weiß, dass ein Besuch im fernen Brasilien vielleicht noch ein paar Tage warten muss, kann im Anschluss an die Ausstellung eine der Fotografien käuflich erwerben. Dazu erhält er eine Motivations- und Sehnsuchtsstütze für sein eigenes Brasilienprojekt und unterstützt zugleich das Werk der beiden fahrenden Fotografen.
"Costa do Brasil", Simone Blauth und Ita Kirsch, Bad Berleburg, bis 18. Oktober 2013, Sparkasse Wittgenstein, während der Öffnungszeiten.
Von Anja Helmbrecht