Martin Jankowski ist in Indonesien ein gefeierter Lyrik-Star - jetzt begeistert er Bad Berleburg

Geheimrezept: Literatur gibt's in der Apotheke

Der Berliner Schriftsteller Martin Jankowski gibt tiefste Einblicke in indonesische Literatur-Vorlieben und bringt seine Zuhörer zum Lachen. (WP-Foto: Christiane Sandkuhl)

Bad Berleburg. Literatur auf Rezept – das hat es auch in diesem Jahr wieder in der Kur-Apotheke bei Karsten Wolter gegeben. Die Veranstaltergemeinschaft des Literaturpflasters musste dafür noch nicht einmal mehr allzu sehr die Werbetrommel rühren: Die Apotheke füllte sich binnen kürzester Zeit bis zum Rand wie von Geisterhand. Martin Jankowski, Berliner Dichter und Schriftsteller, erwartete mit Kustodin Rikarde Riedesel die Lesehungrigen neben Tuben, Tiegeln und Töpfchen. Teils waren es Eingefleischte, die immer da sind, teils Neuankömmlinge in der beliebten Veranstaltungsreihe – auch Stammgäste aus Siegen begrüßte Apotheker Karsten Wolter.

Doch bevor es so richtig heiß wurde mit literarischem Wissen im Vortrag "Tropen zwischen Traum und Trauma", berichtete Apotheken-Assistentin Luljeta Shala Shema Hintergründiges über den in Indonesien beheimateten Kubebenpfeffer. Scharf ist er, wird seit dem 16. Jahrhundert dort angebaut und dient natürlich als Gewürz, doch vielmehr als Heilpflanze gegen Entzündungen. Er soll zudem einen fröhlichen Geist und ein reines Wissen machen. Für 2016 steht er auf der Liste "Heilpflanze" des Jahres.

Literatur auf Rezept

Richtig "pfeffrig" wurde es aber mit Martin Jankowski – er holte einmal tief Luft, dann erzählte der "Vollossi in Indonesien" los. Der 50-jährige gebürtige Greifswalder kam zu seiner beruflichen Leidenschaft zum pazifischen Archipel wie die Jungfrau zum Kinde. In 2001 wurde der studierte Theologe, zu DDR-Zeiten durfte er nur diesen Studienweg einschlagen, von den Organisatoren eines Berliner Literaturfestivals angehalten, sich um den indonesischen Autor Agus R. Sarjono zu "kümmern".

Freunde in wenigen Minuten

Die beiden begegneten sich am Flughafen und wurden binnen weniger Minuten zu Freunden fürs Leben. Über diese Verbindung bekam Martin Jankowski immer wieder Anfragen, sich der indonesischen Literaturgeschichte zu widmen. In der Folge, berichtete er, sei er bereits unzählige Male in Indonesien gewesen und inzwischen durch seine eigenen Lyrik-Lesungen zum Star der Szene geworden. "Zu meiner ersten Lesung kamen sage und schreibe 2.000 Menschen. Ich wollte die Bühne wieder verlassen, dachte, ich bin hier falsch", sagte er und lachte.

"Zu meiner ersten Lesung kamen sage und schreibe 2.000 Menschen."
Martin Jankowski, Schriftsteller und Lyrik-Star in Indonesien

"In Indonesien sieht man niemanden lesen, weder auf öffentlichen Plätzen noch in irgendwelchen Verkehrsmitteln. Die Menschen horten auch keine Bücher daheim", so die Erklärungen des Autors. Ein Buch hätte sowieso keine hohe "Lebenserwartung". Aufgrund der klimatischen Bedingungen ist es nach fünf Jahren kaputt. "Sie können allerdings einen Putzmann, wohl ein männliches Pendant zur Raumpflegerin, fragen, Ihnen ein Gedicht aufzusagen. Er wird sicher 200 davon auf der Pfanne haben", erzählte Jankowski.

Poesie ist das "Jamu", die traditionelle Medizin, für die Seele. Indonesier sprechen und erzählen, die verbale Kommunikation, die sogenannte "Ora-Tour", ist äußerst rege, das ist dann auch literarischer Austausch. Auf drei Zeitzonen und drei biologische Zonen ist Literatur nicht unterentwickelt, sie lebt nur völlig differenziert im Vergleich zu europäischer Literatur.

Ein fröhlicher Abstecher in die Landeskunde folgte, der an verbaler Ausschmückung durch Martin Jankowski nicht zu übertreffen ist. Indonesier haben die Gepflogenheit, aufgrund der multiplen Religionen im Land und vieler Feiertage, sich lyrischen Lesungen mit unglaublichem Enthusiasmus in der Freizeit "hinzugeben". Ein "Jurnal Sajak", ein Gedichtband eigens für deutsche Leser zusammengestellt, gibt Aufschluss über die Beliebtheit von Gedichten. In Indonesien sind die Dichter Kail Anwar und Ayu Utami mit einem Paukenschlag in die teils auch politische Literatur eingegangen. "Die besten Schriftsteller kommen zu Ihnen nach Bad Berleburg", stellte Martin Jankowski erfreut fest. Dabei nannte er Namen wie Linda Christanty, Andrea Hirata und auch Ayu Utami, die ehemalige Miss Indonesien. Sie alle kommen in den nächsten Tagen und bereichern das Kleinod Literaturpflaster.

Zwei eigene Werke

Im gleichen Zuge verwies der lebhafte "Vollossi" auf seine eigenen Werke "Indonesien lesen" (momentan leider vergriffen) und "Sasakananas", das die quirlige Lebensart der Indonesier mit facettenreicher Sprache und Eloquenz wiedergibt. Es wirkte ganz so, als seien die 90 Minuten in einem Atemzug gesprochen worden. Die Zuhörer begeisterte Jankowskis Auftritt. Für sie hätte er bis weit in die Nacht dauern können.

Von Christiane Sandkuhl


Beschäftigt sich mit Menschen am Pazifik

Martin Jankowski wird in Indonesien als Lyrik-Star gefeiert.

Er beschäftigt sich seit 2001 intensiv mit Land und Leuten des pazifischen Archipels.

Der 50-Jährige begeisterte in der randgefüllten Kur-Apotheke mit Ansichten zur Landesliteratur Indonesiens.


WESTFALENPOST (24.09.2015)
Internet: www.derwesten.de/staedte/bad-berleburg/
Bildquelle: WP-Foto von Christiane Sandkuhl

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