Leila Chudoris Roman erregt Aufmerksamkeit

Lesung im EJOT-Labor offenbart Missstände, Verfolgung und Brutalität. Schicksale werden beschrieben

Die indonesische Autorin Leila S. Chudori (Mitte) kam gerne nach Bad Berleburg. Begleitet wurde sie von ihrer deutschen Verlegerin Barbara Weidle (r.) und der Kustodin der Stadt Berleburg Rikarde Riedesel. (WP-Foto: Christiane Sandkuhl)

Bad Berleburg. Bislang erlebten die Literaturpflaster-Fans in Bad Berleburg eine Menge Landeskultur und Naturberichte in Form von Fotoausstellung, Vorträgen und Kochkurs. Den Einstieg in die Lesungsreihe der Autoren machte nun Leila S. Chudori mit ihrem Debütroman "Pulang - Heimkehr nach Jakarta" im EJOT-Labor unterm Hain.

Verfolgung von Andersdenkenden

Rikarde Riedesel, Kustodin der Stadt, moderierte die Veranstaltung, Marlen Jourdan bildete die deutsche Lesestimme für die Romanausschnitte. Außer in den Massenmedien hat ab 1965 kaum jemand in der Welt wirklich das Elend und die Brutalität, Menschenfeindlichkeit und Verfolgung von Andersdenkenden unter Diktator Haji Mohamed Soeharto mitbekommen. Leila Chudori wurde 1962 geboren, erlebte dies alles bereits als Kleinkind. Bis 1998 stand das Land politisch im Ausnahmezustand. Die Angst als Kommunist enttarnt zu werden, als Staatsfeind verfolgt, inhaftiert und gefoltert zu werden, trieb Menschen auf teils furchtbare Weise aus ihrer Heimat.

Leila Chudori griff in ihrem Roman ein Schicksal auf, eine Lebensgeschichte des Exilanten Dimas in Paris. Die Autorin selbst lebte nach ihrem Studium in Kanada und Paris. Mehr oder weniger durch Zufall geriet sie in ein indonesisches Restaurant in Paris. "Pulang" das Wort für Heimat gab Chudori den Anstoß, Schicksale zu beschreiben, ein Gegengift gegen die Diktatur, die Politik in ihrer Heimat für die Nachwelt zuzementieren. In Indonesien erregte der Roman großes Aufsehen.

Dimas Suryo lebt in Paris, lernt dort die Französin Vivienne kennen. In der Heimat gibt es jedoch eine erste Liebe, die Dimas nicht vergessen kann. Rückkehr nach Indonesien? Unmöglich. Er ergibt sich in sein Schicksal, bleibt in Frankreich und redet kaum über seine Sehnsucht, leidet in sich hinein. Die Heimatlosigkeit zerreißt den Mann fast. In die spätere Ehe wird Lintang Utara hineingeboren.

Roman erregt großes Aufsehen

Die inzwischen erwachsene Tochter Dimas’ reist 1998 für ihre Examensarbeit nach Indonesien, zur Zeit der dortigen Studentenunruhen, wirtschaftlicher Umbrüche und dem Abdanken General Soehartos in die Heimat ihres Vaters und erlebt zum ersten Mal, was Familie bedeutet. Die Wortlosigkeit, das Schweigen des Vaters in Frankreich führte schließlich zur Scheidung von Vivienne.

Die kurzen Abschnitte, die in der Lesung vorgetragen werden, geben nur ansatzweise die Hintergründe wieder, die viele Exilianten erleben. Leila Chudori gibt ein Bild der Seele und zeichnet das Leiden Dimas' und der Familie nach. Es geht unter die Haut und macht wissbegierig auf ein Weiterlesen. Verlegerin Barbara Weidle umschrieb, wie sie zum Werk Leila Chudoris gelangte: "Unserem Verlag lag ein Manuskript der ausgezeichneten englischen Übersetzung vor, und so haben wir uns entschieden, das Werk in unsere deutschen Erscheinungen aufzunehmen." Barbara Weidle berichtete auch darüber, wie sie allgemein den Zugang zur Literatur des exotischen Landes fand: "Es ist unglaublich reizvoll, macht neugierig, wie die Autoren, in dem für uns literarisch noch sehr weit entfernten Land, sich aufstellen."

"Unglaublich reizvoll"

Viele persönliche Erlebnisse Chudoris, besonders in 2005, bewegten sie die Geschichte Dimas’ zu schreiben. Auf die Frage, ob denn schon ein zweites Werk angedacht sei, nickte Leila Chudori freudig. Ja, sie arbeite seit geraumer Zeit an einem nächsten Werk. Lohnenswert und spannend ist es sicher.

Von Christiane Sandkuhl


Pulang bedeutet Heimat

Leila Chudori entdeckte schon früh in ihrer Kindheit die Leidenschaft zur Schriftstellerei. In einem Kindermagazin erschien eine Geschichte der damals Zwölfjährigen.

Sie studierte, wurde Journalistin, trat in die Fußstapfen des Vaters und arbeitete von 1989 bis 1994 für die Zeitschrift "Tempo", die aufgrund staatsfeindlicher Veröffentlichungen aufgelöst wurde. Nach Soehartos Abdanken 1998 nahmen die ehemaligen Journalisten des Blattes ihre Tätigkeit wieder auf und gründeten es neu.


WESTFALENPOST (18.09.2015)
Internet: www.derwesten.de/staedte/bad-berleburg/
Bildquelle: WP-Foto von Christiane Sandkuhl

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