Literaturpflaster: Leila S. Chudori stellte ihren Roman "Pulang" vor

Gegen das Vergessen

Rikarde Riedesel, Leila S. Chudori und Barbara Weidle (v. l.) gestalteten im EJOT-Labor den Literaturpflaster-Abend rund um den Roman 'Pulang'. (SZ-Foto: Guido Schneider)

Bad Berleburg. (schn) Jetzt geht es richtig los mit dem Literaturpflaster in Bad Berleburg: Am Dienstagabend fand die erste Lesung in diesem Jahr im Labor der Firma EJOT statt. Mitten zwischen Testgeräten und Maschinen saß Leila S. Chudori und präsentierte ihren ersten Roman "Pulang (Heimkehr nach Jakarta)". Die indonesische Literaturszene ist für den deutschen Buchmarkt aktuell noch ein weißer Fleck auf der Landkarte. Das sieht auch Barbara Weidle, Vertreterin des Weidle-Verlags, so. Mit der Aufnahme der indonesischen Autorin habe sich der Verlag in ein Neuland begeben. Durchaus mit Erfolg, denn Chudori hat mit "Pulang" ein Werk vorgelegt, das ein Schlaglicht auf einen hochinteressanten Aspekt der Geschichte Indonesiens wirft.

Nach einem Putsch der Militärs kommt Suharto an die Macht und bleibt dort als Diktator, der offiziell den Titel Staatspräsident trägt, bis 1998. Von Anfang an erweist sich das neue Regime als stramm antikommunistisch. Kommunisten, deren Sympathisanten und alle, die verdächtigt werden, den Linken nahezustehen, werden aus dem öffentlichen Leben gedrängt, verfolgt und gefoltert. Willkürliche Verhaftungen gehören zur Tagesordnung, ebenso Einschüchterungen und das Totschweigen aller Vorgänge. Zum System der Unterdrückung gehört auch eine breite Sippenhaft. Familienmitgliedern wird der Weg in öffentliche Ämter verwehrt, auch aus dem Journalismus, der Medizin und anderen einflussreichen Positionen werden diese Menschen ferngehalten.

Viele Indonesier gehen ins Ausland, über Umwege findet sich schließlich eine indonesische Gemeinschaft in Paris wieder. Hier versuchen die Exilanten, sich eine neue Heimat aufzubauen, denn sie werden auf die harte Tour ausgebürgert, ihnen wird jede Chance auf eine Rückkehr genommen. Genau an dieser Stelle setzt die Erzählung von Leila S. Chudori an. Die Geschichte dreht sich um Dimas, den Journalisten. Zusammen mit drei anderen Exilanten versucht er, ein Restaurant zu gründen, denn Paris hat genügend Autoren und Journalisten, sie müssen sich mit einer anderen Geschäftsidee durchschlagen. Dimas, der Koch in der Truppe, leidet sehr darunter, dass er nie mehr in seine Heimat zurückreisen kann. Bei einer Demo lernt er seine zukünftige Frau, die kluge Vivienne, kennen und lieben. Doch die Ehe scheitert, denn Dimas kann seine alte Heimat nicht richtig loslassen. Wenn es um Indonesien geht, zieht er sich in seinen Kokon zurück.

Aus der Ehe mit Vivienne geht ein Kind hervor, Tochter Lintang. Sie beschließt, als Abschlussarbeit ihres Filmstudiums einen Dokumentarfilm über die Ereignisse in Indonesien seit 1965 zu drehen, sie will Betroffene aufsuchen, die in Gefangenschaft geraten sind, oder Menschen, die jemanden verloren haben. Lintang gerät mitten im Jahr 1998 in die Geschehnisse in Indonesien, die zum Sturz Suhartos führen werden.

Rikarde Riedesel, die durch den Abend führte, hat das Buch nicht aus den Händen legen können. Sie versprach allen Anwesenden, dass es ihnen sicher auch so gehen werde. Der Roman fessele, und sie freue sich schon auf den zweiten Roman der Autorin. Der ist auch schon in Arbeit. Mit "Pulang" habe sie ein Buch für und über mehrere Generationen schaffen wollen, sagte Chudori. Zum einen ist es die Geschichte einer vertriebenen und verlorenen Generation, zum anderen die Geschichte der Kinder, die langsam entdecken und verstehen, was in Indonesien geschehen ist.

Chudori selbst ist Journalistin, arbeitet für das Wochenmagazin "Tempo", das zwischenzeitlich verboten war. Sie studierte in Kanada Politik und Soziologie und lernte dort, die Geschichte hinter den Geschichten zu entdecken. In Indonesien seien die Geschehnisse der 1960er-Jahre vier Jahrzehnte lang totgeschwiegen worden. "Pulang" solle dazu beitragen, dieses Schweigen zu brechen, es ist ein Roman gegen das Vergessen.

Von Guido Schneider


Siegener Zeitung (17.09.2015)
Internet: www.siegener-zeitung.de
Bildquelle: SZ-Foto von Guido Schneider (schn)

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