Literaturpflaster: Starautor Andrea Hirata zog in seinen Bann

Träumen immer erlaubt

Autor Andrea Hirata hatte sichtlich Freude bei der Vorstellung seines Buches - auch sein Übersetzer Peter Sternagel lachte gerne mit ihm. (SZ-Foto: Franziska Henk)

Bad Berleburg. (fhe) "I want you to smile" – "Ich möchte, dass ihr lächelt", ist einer der ersten Sätze Andrea Hiratas, der ihm selbst mit einem breiten Grinsen über die Lippen kommt. Die dunklen Haare locken sich unter der schwarzen Baskenmütze, einen geblümten Schal trägt er locker um den Hals. Bei der nun vierten Lesung des 22. Literaturpflasters in Bad Berleburg kommt der lebensfrohe 47-Jährige positiv und offen daher - und genau diese Einstellung darf man wohl auch als sein Lebensmotto bezeichnen.

Ein "Träumer" ist er, wie er selbst sagt, denn Träumen, Ziele im Leben haben – das sei ein essentieller Bestandteil für ein glückliches Leben. Als Beweis – oder besser gesagt als überzeugende Anregung dazu – ist sein Buch "Der Träumer" wie gemacht. Aus seinem 2006 erschienenen Roman will der indonesische Autor mit ausgeprägter Gestik und Mimik auch gar nicht mehr aufhören in seiner Muttersprache vorzulesen.

Für die Übersetzung und Moderation des Abends hatten die Organisatoren des Literaturpflasters erneut Dr. Peter Sternagel gewinnen können, der als "exzellenter Kenner Indonesiens" – so Rikarde Riedesel vom Veranstalter-Team – auch gerne ein weiteres Mal mit seinen Autoren ins Gespräch kam. Sternagel übersetzte sowohl die Romane von Ayu Utami als auch die Werke Hiratas, dessen Lesung er in der Firma Rompel ebenfalls mit Freude unterstützte. Sein Protagonist Ilkal in "Der Träumer" ist gerade zwölf – und damit alt genug, um arbeiten zu gehen und seine Familie zu unterstützen, die zu den ärmsten auf der Insel gehören.

Doch Ilkal will mehr – das ist er nicht nur seiner früheren Lehrerin der "Regenbogentruppe" schuldig, die ihm beigebracht hat, für seine Träume zu kämpfen. Genau dieser Mut und die Lebensfreude, die Ilkal und seine Freunde an den Tag legen, beschreibt Hirata so liebevoll und auf humorvolle und zugleich rührende Weise, dass es als Leser den Freunden im Roman gegenüber unfair erscheint, mit dem Leben in einem reichen Land unglücklich oder unzufrieden zu sein.

"Das Denken von armen Menschen kann nur verstanden werden, wenn man selbst einmal arm gewesen ist", meinte er auf die Frage, ob er selbst noch Träume habe. Die hat Hirata nämlich auch heute noch – und gleichzeitig lebt er seinen Traum, der ein bisschen auch nach dem Amerikanischen Traum klingt, nur eben als eine Art indonesisches Märchen. "Man muss vor allem auch den Mut haben, zu träumen", was wohl den wichtigsten Kerngedanken seines Buches und damit auch seiner Lebensphilosophie beschreibt.

Denn genau dieser Lebensmut ist ein wichtiger Bestandteil im Leben und Andrea Hiratas Geschichte, denn er selbst weiß nur zu gut, wie es ist, sich Dinge im Leben erkämpfen zu müssen. Als "schreckliche Ironie" bezeichnete er die Verhältnisse auf seiner Heimatinsel Belitung, die zugleich "der ärmste und der reichste Ort" sei. Wichtigster Wirtschaftszweig ist der Zinnabbau, der die Umwelt dort stark belaste, erzählte Hirata seinen Gästen. Doch der Insel ist mit dem Ruhm Hiratas auch etwas sehr positives widerfahren: Spätestens seit der Verfilmung seiner Romane "Der Träumer" und "Die Regenbogentruppe" floriert der Tourismus auf Belitung, einer Insel östlich von Sumatra.

Noch größeres Interesse an dem humorvollen Autor, seinen Werken und seiner Lebensweise herrschte dementsprechend auch nach der Lesung, die auf Deutsch gekonnt von Christoph Haupt vorgetragen wurde und – so formulierte es Rikarde Riedesel – "dem Autor in Gestik und Mimik bei der Lesung in nichts nachstand". Das konnte auch Andrea Hirata bestätigen, der sich ebenfalls sehr angetan von Christoph Haupts vorgetragenen Textpassagen aus "Der Träumer" zeigte. Warum er sich beim Schreiben einem bis dato ganz untypischen Lektürethema für Indonesien gewidmet habe, erklärte er ebenfalls: "Dort geht es fast ausschließlich um ernste Themen wie Unterdrückung, die Gender-Frage und aktuelle politische Themen", er aber wollte zeigen: "Wir in Indonesien können auch glücklich sein!"

Und diese Lebensart zu vermitteln, ist ihm bei seinem Besuch in Bad Berleburg mehr als gelungen.

Von Franziska Henk


Siegener Zeitung (21.10.2015)
Internet: www.siegener-zeitung.de
Bildquelle: SZ-Foto von Franziska Henk (fhe)

Siegener Zeitung

© 2007-2015 Berleburger Literaturpflaster - Literatur & Kultur aus dem Schwerpunktland der Frankfurter Buchmesse.
Impressum :: Datenschutz :: powered by jr webdesign